Österreich, Rechtsprechung 13.07.2018
Mit einer Frage des Nachbarrechts hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) zu befassen: Muss ein Nachbar dulden, von Solarpaneelen intensiv geblendet zu werden?
Die Vorgeschichte des Nachbarschaftsstreits beginnt im Jahr 2012 mit der Errichtung eines Wintergartens. Auf dem Dach dieses Wintergartens werden zwei Solarkollektoren montiert, die in Richtung des Hauses des späteren Klägers geneigt sind. Die recht niedrige Installationshöhe und die ostseitige Ausrichtung der Solarpaneele führt dazu, dass von Mitte April bis Ende September für einen Zeitraum von jeweils zwei bis drei Stunden intensive Reflexionen den Balkon und die Terrasse des Nachbarn erreichten und damit eine Blendung verursachen, wie sie bei einem direkten Blick in die Sonne gegeben ist. Da die Paneele niedrig angebracht sind, kommt das Licht dabei – anders als natürliches Sonnenlicht – aus waagrechter Richtung bzw. „von unten“. Während der Reflexionen ist ein Aufenthalt im betroffenen Bereich ohne Sonnenschutz nicht möglich, weil auch ein kurzer (unwillkürlicher) Blick in das reflektierte Sonnenlicht zu einer Augenschädigung führen kann.
Klage
Der von den Reflexionen betroffene Nachbar klagte auf Unterlassung. Der Beklagte vertrat den Standpunkt, der Kläger müsse sich selbst schützen, zumal auch andere Häuser in der Siedlung mit Solaranlagen ausgestattet sind. Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, geeignete Maßnahmen zu setzen, um die (ortsunübliche) Beeinträchtigung durch die Reflexionen zu beseitigen. Das Berufungsgericht wies die Klage hingegen mit dem Argument ab, es sei dem Kläger zumutbar, auf dem Balkon und der Terrasse Sonnenschirme aufzustellen; der Gefahr einer Blendung beim Aufspannen des Schirmes könne durch das Aufsetzen einer Sonnenbrille begegnet werden.
OGH-Entscheid
Der Oberste Gerichtshof (OGH) schloss sich nun im Ergebnis der Auffassung des Erstgerichts an (1 Ob 1/18f): Ein Liegenschaftseigentümer muss ortsunübliche und wesentliche, die Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigende Immissionen vom Nachbargrundstück nicht hinnehmen.
Auf das Vorhandensein von Solaranlagen in der Umgebung komme es nicht an, weil nicht auf die Immissionsquelle, sondern in erster Linie auf die den Nachbarn treffende nachteilige Einwirkung abzustellen sei, so der OGH. Die gebotene nachbarrechtliche Interessenabwägung falle zugunsten des Klägers aus: Im vorliegenden Fall seien die notwendigen Abwehrmaßnahmen (Erwerb von zumindest zwei Schirmen, tägliches Aufspannen vor oder während der Reflexionen) dem Kläger auch bei Berücksichtigung der Interessen des Beklagten nicht zumutbar. Der Beklagte habe einerseits die intensive und ganz ungewöhnliche Art der Reflexion des Sonnenlichts durch die unübliche Montage seiner Solarpaneele in niedriger Höhe hervorgerufen; zudem könnte er selbst Abhilfemaßnahmen (z.B. Anstrich zur Verringerung der Spiegelungen, Installation eines Sonnensegels) ergreifen.