Statt einer geforderten Mietpreisbremse wird es einen Wohnkostenzuschuss als Einmalzahlung geben – damit steigen die Preise für Richtwerthaushalte ab 1. April 2023 um 8,6 Prozent.
„Die bemühten Laien-Darsteller der schwarz-grünen Koalition wollten also wieder einmal den Anschein harter Verhandlungen erwecken, um am Ende dort zu landen, wo sie am Anfang begonnen haben“, ärgert sich Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs (MVÖ) über das Begräbnis erster Klasse für die Mietpreisbremse. „Hunderttausenden Mietern wurde ein letztklassiges Schauspiel vorgesetzt, ihre Hoffnungen erst geweckt, dann enttäuscht, und schließlich begraben.“
Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 Prozent
370.000 Richtwertmiethaushalte und 150.000 Kategoriehaushalte, sowie über 400.000 Miethaushalte im ungeregelten privaten Sektor würden von der Regierung eiskalt im Stich gelassen, zeigt sich Niedermühlbichler entsetzt. Jetzt werden die Erhöhungen der Richtwertmieten von 8,6 Prozent mit April voll durchschlagen, das bedeutet für einen durchschnittlichen Mieter im privaten Altbau in Wien Mehrkosten von rund 500 Euro pro Jahr. Im ungeregelten privaten Sektor sind regelmäßige Erhöhungen im Ausmaß des Verbraucherpreisindex praktisch Standard. Das bedeutet zusätzliche Belastungen von über 10 Prozent für jene Haushalte.
„Das Unvermögen der Koalition ist ein Hohn für 1,8 Millionen Mieterinnen und Mieter in Österreich, auf deren Rücken die Regierung zuerst auf Zeit gespielt hat, um sich am Ende auf die Seite der Reichen zu schlagen“, kritisiert Georg Niedermühbichler weiter. Bekanntlich landen 8 von 10 Euro, die ein Mieter hierzulande bezahlt, in den Taschen der reichsten Österreicher.
Einmaliger Wohnkostenzuschuss statt echter Mietpreisbremse
Die Lösung der Koalition ist nun die Aufstockung der Wohn- und Heizkostenzuschüsse um 225 Millionen Euro – womit vorrangig einkommensschwache Haushalte unterstützt werden sollen. „Somit soll das ‚unterste Einkommensviertel‘ die Möglichkeit bekommen, um Hilfe anzusuchen. Was ist allerdings mit den Menschen der mittleren Einkommensschicht oder Menschen, die kein eigenes Einkommen haben, wie etwa Studenten? Die Reichen noch reicher zu machen, scheint das Motto der Regierung zu sein. Sie betreiben lieber Vermieterinnen- und Vermieterförderung als eine vernünftige Lösung zu schaffen“, sagt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien.
„Darüber hinaus sind nicht nur private Mieterinnen und Mieter von der Teuerung betroffen, auch die gewerblichen Mieten steigen, was die Inflation erneut anheizen wird“, mahnte Hanel-Torsch.
„Unsere Vorschläge, diesem Mietenwahnsinn ein Ende zu setzen, liegen seit Monaten auf dem Tisch“, kritisiert Elke Hanel-Torsch die Untätigkeit der Regierungsparteien. „Die Bundesregierung hat in dieser zentralen gesellschaftlichen Frage total versagt und wird die volle Verantwortung für die Folgen tragen müssen.“
Es brauche dringend weitere Maßnahmen, um Wohnen in Österreich wieder leistbar zu machen. Ein Mietrecht für alle mit echten Preisgrenzen, das Aus für befristete Mietverträge und eine faire Neugestaltung des Betriebskostenkatalogs sind die zentralen Punkte für gerechtes und leistbares Wohnen in Österreich.
Wie hoch ist die Entlastung durch den Wohnkostenzuschuss?
Wie das Momentum Institut Ende März analysierte, hat der nun beschlossene Wohnkostenzuschuss kaum dämpfende Wirkung auf die massive Erhöhung der Mietkosten von 8,6 Prozent. Vor allem deshalb, weil die Einmalzahlung von rund 200 Euro für einkommensschwache Haushalte nur für das Jahr 2023 angedacht ist.
Mietpreisbremsen in Europa
Die steigenden Mieten lassen den Verbraucherpreisindex steigen, und der Verbraucherpreisindex treibt wiederum die Mieten nach oben. Diese Teuerungsspirale kann durch eine Mietpreisbremse gestoppt werden. Das ist möglich – viele Länder in Europa haben bereits Mietpreisbremsen eingezogen. In Schottland wurden die Mieten praktisch eingefroren. In Spanien und in Portugal wurden Mieterhöhungen auf jährlich 2 Prozent gedeckelt. In der Schweiz darf nur um 40 Prozent der Inflation erhöht werden. Das wären bezogen auf die nun in Österreich anstehende Richtwerterhöhung 3,4 Prozent. In Frankreich ist ein 3,5-Prozent-Deckel für Mieten in Kraft. In Dänemark wurden Mieterhöhungen bis 2024 mit 4 Prozent begrenzt. In Schweden verhandelt der Mieterbund jedes Jahr die Warmmieten für rund 1,6 Millionen Wohnungen: für heuer einigten sich die Verhandler auf eine durchschnittliche Erhöhung von 4,2 Prozent der Warmmiete. In den Niederlanden folgt die Mieterhöhung der durchschnittlichen Lohnerhöhung des Vorjahres. Für den freien Sektor hat die Regierung festgelegt, dass die jährliche Mieterhöhung höchstens 1 Prozent über der Lohnerhöhung liegen darf.
Grafik: Mietpreis-Steigerungen in Prozent pro Jahrin ausgewählten europäischen Ländern, Stand: März 2023.
*In Schweden gilt ein Warmmieten-Modell.
**Die Steigerung für die Schweiz wurde - zum Vergleich - mit der Inflationsrate Österreichs gerechnet.
Im Jahr 2022 gab es eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 3,1 Prozent. Daher darf sich die Miete um maximal 4,1 Prozent erhöhen.
Mietpreisbremse in Österreich
»Eine Mietpreisbremse wäre auch in Österreich rasch umsetzbar «, erklärt Hanel-Torsch. Das ist der gemeinsame Vorschlag von MVÖ und AK: Die Mieten sollen nicht öfter als einmal im Jahr erhöht werden, und die Erhöhung soll auf zwei Prozent begrenzt werden. Das soll für Richtwert-, Kategoriemieten und freie Mieten, bei denen Erhöhungen vertraglich geregelt sind, gelten – so lange, bis es zu einer großen Mietrechtsreform kommt, die längst überfällig ist.
Faires Mietrecht
»Wir brauchen endlich ein faires Mietrecht für alle, mit echten Preisgrenzen. Die Befristungen müssen weg, die Betriebskosten gerechter aufgeteilt werden«, sagt Hanel-Torsch. Allein Verwaltungshonorare und Versicherungsprämien machen mehr als ein Drittel der gesetzlichen Betriebskosten aus. Diese Kosten dürfen den Mietern laut dem gesetzlichen Betriebskostenkatalog weiterverrechnet werden, obwohl sie von diesen nicht verursacht werden. Die Mietervereinigung fordert eine Streichung von Verwaltungshonoraren und Versicherungsprämien aus dem Betriebskostenkatalog. Das würde Mieter einer durchschnittlichen 70m2-Wohnung auf einen Schlag monatlich um 60 Euro entlasten.
Ins Tun kommen
Gemeinsam mit der AK fordert die MVÖ darüber hinaus die rasche Umsetzung von Maßnahmen, die sich seit Anfang 2020 im Regierungsprogramm finden.
1) Maklerprovision
Das Makler-Gesetz ist beschlossen und gilt ab Juli. Wer Makler beauftragt – in der Regel Vermieter – zahlt. Es gibt aber noch Hintertüren, die auch weiterhin dazu führen, dass Mieter die Kosten umgehängt bekommen. Wir fordern ein echtes
Bestellerprinzip wie in Deutschland und werden genau beobachten, was die aktuelle Regelung ab Juli wirklich bringt.
2) Bundesgrundstücke für den geförderten Wohnbau
Grundstücke, die der Allgemeinheit gehören, sollen nur mit geförderten Wohnungen bebaut werden.
3) Leerstandsabgabe
Der Bund muss eine wirksame Leerstandsabgabe in einer relevanten Höhe beschließen. Oder die Länder müssen sie in einem wirksamen Ausmaß selbst einheben können. Dazu muss der Bund den Ländern mehr gesetzliche Kompetenzen geben. Denn eine höhere Abgabe, die gegen den Leerstand wirken würde, muss im sogenannten »Volkswohnungswesen« geregelt werden und da ist der Bund zuständig. Nur so hat sie Wirkung und hält verfassungsrechtlich.
4) Kurzzeitvermietungen einschränken
Die Registrierungspflicht für Kurzzeitvermieter muss kommen. Nur wer beim Finanzamt registriert ist, soll ganze Wohnungen auf Plattformen anbieten dürfen. Ferner soll der Bund den Gemeinden ermöglichen, die Kurzzeitvermietung von Wohnungen pro Jahr nach eigenem Ermessen zeitlich zu begrenzen.
5) Befristungen abschaffen
Immobilienkonzerne, Versicherungen und andere große Wohnungsbesitzer sollen zukünftig nur mehr unbefristet vermieten dürfen. Privatpersonen sollen hingegen eine Wohnung befristetet vermieten dürfen. Immerhin sind drei von vier neuen Mietverträgen im privaten Segment nur mehr befristet. Deshalb: Weg mit befristeten Mietverträgen.