Österreich, Politik 15.09.2023
Im großen Fair-Wohnen-Interview spricht der neue SPÖ-Bundesparteivorsitzende Andreas Babler mit MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler über leistbares Wohnen, den Kampf gegen die Teuerung und seine Ziele im kommenden Jahr.
Georg Niedermühlbichler: Seit Mitte August bist du mit deiner „Comeback-Tour“ in Österreich unterwegs. Was beschäftigt die Menschen in Österreich derzeit am meisten?
Andreas Babler: Ich habe in den vergangenen Wochen tausende Menschen kennengelernt und bin in ganz Österreich mit unzähligen Menschen ins persönliche Gespräch gekommen. Viele dieser Gespräche zeigen mir, wo die Regierung überall auslässt, wo nichts weitergeht und wie sehr unsere Leute im Stich gelassen werden. Viele wissen nicht mehr, wie sie sich Wohnen und Einkaufen noch leisten können. Und was macht die Regierung? Die schaut tatenlos zu und lässt die Menschen mit der Preisexplosion allein. Damit muss Schluss sein. Es braucht ein Comeback der Politik, die wieder für die Menschen in Österreich da ist. Es braucht ein Comeback der Gerechtigkeit. Und genau dafür stehen wir als starke und selbstbewusste Sozialdemokratie.
Regulär wird im Herbst 2024 gewählt. Wäre die SPÖ bereit, sollte es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen?
Na klar, wir sind immer bereit für Neuwahlen. Wir haben ein unglaublich starkes Team, sind super aufgestellt. Wir sagen die Themen an, haben die besten Konzepte und wir spüren eine unglaublich große Aufbruchsstimmung. Also ja, wir sind absolut bereit für Neuwahlen. Je schneller das Land eine Perspektive kriegt, die eine Verbesserung für die meisten Menschen in Österreich bedeutet, desto besser.
In den vergangenen Wochen wurden von dir viele Themen angesprochen (32-Stunden-Woche, Bankzinsen, Erbschafts- und Millionärssteuer). Welche sind die Hauptthemen, die du umsetzen willst?
Mein Hauptthema ist »Zurück zur Gerechtigkeit«. Unter diesem Motto toure ich durchs ganze Land und das ist es auch, was es jetzt dringend braucht: ein gerechtes Österreich. Unser Land leidet unter der höchsten Inflation in Westeuropa und unser Wohlstand schmilzt dahin. Das ist das Ergebnis einer Regierung, die in ihren Hinterzimmern auf die Immo-Investoren und die Konzernchefs hört, aber für die breite Mehrheit der Bevölkerung nichts tut. Das ist für mich unterlassene Hilfeleistung! Das muss sich schleunigst ändern. Österreich braucht wieder eine Regierung, die die Anliegen der Menschen vertritt. Dazu gehören Arbeitszeitverkürzung, ein Ende der explodierenden Kredit- und Überzugszinsen und eine Erbschafts- und Millionärssteuer, mit der 96 Prozent der Bevölkerung entlastet werden. Das ist sozialdemokratische Politik für die Vielen.
Thema Wohnen: Die Mieten sind in den letzten Jahren um bis zu 25 Prozent gestiegen, die Löhne halten mit dieser Teuerung nicht mit. Die Regierung hat nach langem Zögern ein Mini-Paket vorgelegt, wodurch die Mieten jährlich um bis zu 5 Prozent erhöht werden. Deshalb fordert die MVÖ weiterhin eine echte Mietpreisbremse für alle Mietverhältnisse. Auch die SPÖ fordert diese. Was braucht es, damit sie auch wirklich umgesetzt wird?
Die Regierung hat die Mieten in den letzten beiden Jahren ungebremst steigen lassen und uns damit in eine Mietkrise getrieben. Statt diese Erhöhungen zurückzunehmen und einen echten Mietpreisdeckel einzuführen wie das SPÖ, Gewerkschaft und Mietervereinigung seit Monaten fordern, lässt die Regierung die Mieten in den nächsten Jahren weiter steigen. Dieser türkis-grüne Schmähdeckel entlastet die Menschen kaum, die unter den hohen Mietkosten leiden. In Wahrheit werden damit die Gewinne für Vermieter garantiert. Wir kämpfen seit Monaten gemeinsam mit der Mietervereinigung und der Gewerkschaft für einen echten Mietpreisdeckel. Die SPÖ in Regierungsverantwortung würde dem Mietwahnsinn sofort ein Ende setzen und alle Mieten für zwei Jahre einfrieren.
Bei einem Tour-Termin in Salzburg hast du dich in einer Pressekonferenz für einen Rechtsanspruch auf leistbaren Wohnraum ausgesprochen. Wie willst du den sozialen Wohnbau fördern?
Mit Wohnen darf kein Profit gemacht werden! Das heißt für mich zum einen, dass Genossenschaftswohnungen und Gemeindebauten nicht privatisiert werden dürfen. Zum anderen braucht es massive Investitionen in leistbaren Wohnraum durch neue Gemeindebauten und den Ausbau des Genossenschaftswesens. Ich will, dass sozialer Wohnbau Vorrang bei Neuwidmungen von Bauflächen bekommt. In Ballungsräumen sollen 50 Prozent der Neuwidmungen für sozialen Wohnbau reserviert werden. Das muss auch verfassungsrechtlich abgesichert werden.
Es gibt auch ein zersplittertes Mietrecht, die SPÖ hat schon vor Jahren das Universalmietrecht vorgestellt, welches aber nie Realität geworden ist. Aus Sicht der MVÖ wäre ein »Mietrecht für alle« eine zentrale Forderung und Verbesserung für alle Mieterinnen und Mieter. Steht diese Vereinheitlichung des Mietrechts immer noch hoch auf der Agenda?
Selbstverständlich! Leistbares Wohnen steht immer ganz oben auf unserer Agenda und das Universalmietrecht ist ein zentraler Eckpfeiler dafür. Denn 60 Prozent der Mietwohnungen am privaten Wohnmarkt unterliegen nicht den Preisgrenzen des Mietrechtsgesetzes. Kein Preisschutz bedeutet, dass die Miethöhe beliebig ist. Das Universalmietrecht würde dem entgegenwirken: die Miethöhen auch für neuere Wohnungen regeln, grundlose Befristungen abschaffen und Zu- und Abschläge klar definieren.
Ein Eigenheim ist für fast alle Österreicherinnen und Österreicher nicht leistbar. Wie sollen auch Eigenheime wieder leistbarer werden?
Ich selbst komme aus einer Häuslbauer-Familie. Mein Vater hat jeden gesparten Schilling dafür verwendet, ein Haus zu bauen. Der Traum vom Eigenheim muss für breite Schichten der Gesellschaft wieder erfüllbar sein. Dafür braucht es gerechte Löhne, von denen man gut leben und sich etwas aufbauen kann. Und es braucht den konsequenten Kampf gegen Spekulation mit Wohnraum. Dass die Grundstückspreise so stark gestiegen sind, liegt am hohen Spekulationsanteil. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben – durch Regulierungen und den konsequenten Kampf gegen Leerstand. Die unverschämt gestiegenen Kreditzinsen machen es für junge Familien aktuell besonders schwer, Eigentum aufzubauen. Mit dieser Zinsen-Abzocke muss Schluss sein.
Derzeit bleiben Mieterinnen und Mieter zur Gänze auf den Kosten der CO2-Steuer sitzen, während es für Hauseigentümer keine Anreize zur Dekarbonisierung gibt. Die Regierung will mit den Stimmen der SPÖ für ihr Klimagesetz eine Zweidrittelmehrheit erzwingen. Die SPÖ macht ihre Zustimmung jedoch von Zugeständnissen für Mieterinnen und Mieter im Gesetz abhängig. Wird die Partei in dieser Frage hart bleiben?
Selbstverständlich werden wir bei unserer Linie bleiben. Der Grund dafür ist einfach erklärt: Mieterinnen und Mieter können sich ihr Heizsystem nicht aussuchen. Als Mieter kann ich auch nicht einfach eine Solaranlage am Dach montieren. Deshalb ist es sozial ungerecht, dass Mieterinnen und Mieter die CO2- Steuer aufs Aug gedrückt bekommen. Nur wenn wir das ändern und die Vermieter die CO2-Steuer bezahlen müssen, haben sie einen Anreiz, auf klimaschonende Heizsysteme umzustellen.
Zum Schluss nochmal zu deiner »Comeback-Tour«: Was wäre aus deiner Sicht ein gelungenes Comeback der SPÖ?
Mein Ziel – und mein Anspruch – ist ganz klar: Bei der Nationalratswahl stärkste Kraft und Nummer eins werden. Damit wir wieder gestalten können und diese finstere, schwarze Periode endlich beendet wird. Wir wollen nicht länger zusehen, wie alles den Bach runtergeht und unsere Leute immer mehr zu Bittstellerinnen und Bittstellern degradiert werden. Die Menschen haben Rechte und die wollen wir durchsetzen. Ein besseres und gerechteres Österreich gibt es nur, wenn die SPÖ stärkste Kraft im Land ist.
Die Regierung hat bisher beim Kampf gegen die Teuerung versagt. Welche Maßnahmen, welche Ideen, welche Pläne hat die SPÖ, um die Teuerung in den Griff zu bekommen und die Kaufkraft in Österreich zu sichern?
Die monatelange Untätigkeit der Regierung ist schuld an der hohen Teuerung in Österreich. Statt in den radikalen Markt einzugreifen und die Preise zu senken, schaut die Regierung zu, wie alles teurer wird und lässt unsere Leute im Stich. Das ist unterlassene Hilfeleistung. Um die Preise zu senken und die Kaufkraft zu stärken, kämpfen wir weiter für die Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, das Einfrieren der Mieten für zwei Jahre und eine schlagkräftige Anti-Teuerungskommission.
Zum Abschluss eine private Frage: Wie wohnst du?
Ich lebe mit meiner Familie und Hündin Ika in einem alten ehemaligen Bauernhaus in Traiskirchen, wo ich seit 2014 Bürgermeister bin.