Politik 10.09.2024
Im großen Fair-Wohnen-Interview vor der Wahl 2024 spricht MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler mit der 2. Nationalratspräsidentin Doris Bures und mit Elke Hanel-Torsch, MVÖ-Kandidatin für den Nationalrat, über die Zukunft: Was muss sich ändern – für Mieterinnen und Mieter, in der Politik, im Land?
Georg Niedermühlbichler: In wenigen Wochen wird in Österreich gewählt. Welche Themen werden eurer Ansicht nach diese Wahl vor allem prägen?
Doris Bures: Es geht um eine Richtungsentscheidung in einem international höchst angespannten politischen Umfeld. Österreich muss wieder auf einen sozial, ökologisch und ökonomisch fortschrittlichen Weg gebracht werden. Die Herausforderungen dabei sind gewaltig - Klimawandel, Gesundheit, moderne Arbeitswelt, Industrie im Wandel – bei all dem ist eine sozialdemokratische Handschrift für unser Land dringend nötig.
Elke Hanel-Torsch: Wir leben in einer turbulenten, von Krisen begleiteten Zeit – Corona, Angriffskrieg von Russland, Teuerung und Klimawandel. Die Menschen erwarten sich zu Recht Antworten auf diese Krisen und Visionen für eine positive Entwicklung unseres Landes. Die Sozialdemokratie hat diese Antworten und eine klare Vorstellung von einer guten Zukunft für alle Menschen.
Niedermühlbichler: Welche Veränderungen müssten in der kommenden Legislaturperiode unbedingt in Angriff genommen werden?
Bures: Unser Sozialstaat basiert auf Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Das ist zuletzt schwer unter Druck geraten. Nach einem Kassasturz muss die Finanzlage, die Schwarz-Grün hinterlassen hat, schonungslos analysiert werden und entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Fest steht jedenfalls schon heute: die Steuern auf Arbeit sind viel zu hoch, wir brauchen neue, kreative Finanzierungsgrundlagen.
Hanel-Torsch: Alle Menschen verdienen ein sicheres und gutes Leben. Dazu zählen für mich vor allem leistbarer Wohnraum, die beste wohnund zeitnahe Gesundheitsversorgung unabhängig vom Geldbörserl und die Stärkung der Demokratie.
Niedermühlbichler: Doris, du hast sehr viel Erfahrung in der Politik in unterschiedlichsten Funktionen. Als du 1990 erstmals als Abgeordnete in den Nationalrat eingezogen bist, lag dort der Frauenanteil bei nicht einmal 20 Prozent. Bis 2019 ist der Frauenanteil auf fast 40 Prozent geklettert. Auf der anderen Seite liegt der Männeranteil immer noch bei fast 60 Prozent. Ist Politik denn immer noch eine Männerdomäne?
Bures: Seit ich als junge Nationalratsabgeordnete begonnen habe, hat sich – vor allem in der SPÖ – für Frauen vieles verbessert. Aber es gibt noch viel zu tun. Wenn man sich die reaktionären Rollenbilder mancher FPÖ- und ÖVPVertreter vor Augen hält, gilt es vor allem, ein böses Erwachen nach den Wahlen zu verhindern. Denn von dort weht auch frauenpolitisch ein ewiggestriger Wind.
Niedermühlbichler: Elke, Du stehst als Frau an der Spitze der Mietervereinigung Wien. Auch die Immobilienbranche gilt seit jeher als Männerdomäne, mit welchen Herausforderungen wirst du konfrontiert?
Hanel-Torsch: Wenn ich zu Diskussionsrunden eingeladen werde, bin ich oft die einzige Frau. Zusätzlich bin ich oft auch die Einzige, die auf der Seite der Mieterinnen und Mieter steht. Einmal war ich gleich mit fünf Männern am Podium. Alle sprachen für die Vermieterinnen und Vermieter. In solchen Situationen ist es wichtig, sich den nötigen Raum und Platz für die eigenen Ausführungen zu nehmen und sich nicht beirren zu lassen. Nach der Veranstaltung kamen mehrere Personen zu mir und haben mir gratuliert. Das sind wirklich schöne Momente. Natürlich gibt es auch in der Immobilienbranche viele kluge und tolle Frauen, aber leider bleiben diese oft im Hintergrund. Es ist aus meiner Sicht wichtig, diese Frauen zu ermutigen nach vorne zu treten und sich einzubringen. Es ist an der Zeit, auch diese Männerdomäne aufzubrechen.
Niedermühlbichler: Doris, du warst von 1997 bis 2007 Präsidentin der Mietervereinigung Österreichs. Was hat die Menschen damals beim Thema Wohnen beschäftigt?
Bures: Ohne die aktuellen Details zu kennen, aber ich fürchte so unterschiedlich sind die Problemlagen heute auch nicht. Damals ging es vor allem um massive Verstöße gegen Mieterinteressen und -rechte im privaten Wohnungsmarkt. Noch dazu hat die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel die Privatisierung der BUWOG initiiert, also bewusst den deregulierten privaten Wohnungsmarkt forciert – mit allen problematischen Begleiterscheinungen.