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Wien 19.06.2025
Wer verdient wie viel an Zinshäusern, wie werden Mieter unter Druck gesetzt und wie können sich diese effektiv zur Wehr setzen? Eine neue Studie der TU Wien deckt die jüngsten Entwicklungen am Wiener Altbausektor auf.
Preisexplosion im Wiener Altbau
Eine aktuelle Studie des Instituts für Raumplanung der TU Wien dokumentiert die Preisexplosion im Wiener Altbau (als »Altbau« im Sinn des Mietrechtsgesetzes gilt ein Zinshaus, dessen Baubewilligung vor dem 1.7.1953 erfolgt ist – bei Häusern mit vermieteten Eigentumswohnungen vor dem 9.5.1945). Der Medianpreis eines Wiener Zinshauses stieg von 573.400 Euro im Jahr 2000 auf 3,5 Millionen Euro im Jahr 2022 – das entspricht einem inflationsbereinigten Zuwachs von 511 Prozent! Im selben Zeitraum stieg der Verbraucherpreisindex um 62 Prozent, der Baukostenindex um 98 Prozent.
Die Preisexplosion lässt sich also weder mit allgemeinen Preissteigerungen noch durch höhere Baukosten erklären. Gleichzeitig ist die Bereitschaft der Käufer, immer höhere Preise zu zahlen, gestiegen. Das erhöht freilich den Druck, entsprechende Renditen zu erwirtschaften, um die hohen Kaufpreise zurückzuverdienen.
Wiener Zinshäuser: GmbH statt »Hausherr«
Die TU-Studie zeigt einen klaren Trend: Gewerbliche Unternehmen haben als Käufer von Zinshäusern an Bedeutung gewonnen, während Privatpersonen Marktanteile verlieren. Bereits im Jahr 2000 waren die von gewerblichen Unternehmen gezahlten Kaufpreise deutlich über jenen, die von Privatpersonen gezahlt wurden. So haben gewerbliche Unternehmen damals etwa rund 660.000 Euro pro Altbau-Miethaus bezahlt, während Privatpersonen rund 470.000 Euro bezahlt haben. Im Jahr 2022 lag der Preis für Privatpersonen bei rund 2,3 Millionen Euro und jener für gewerbliche Unternehmen bei rund 3,6 Millionen Euro. Die Zahl der Käufe, die von Privatpersonen getätigt werden, sinkt von 142 im Jahr 2000 auf nur noch 17 im Jahr 2022. Unternehmen kauften im Jahr 2000 163 Zinshäuser, 2022 waren es bereits 207.
Mehrfachverkäufe als lukratives Geschäftsmodell
Ein weiteres signifikantes Phänomen am Wiener Zinshausmarkt sind kurzfristige Mehrfachverkäufe. Jede vierte Transaktion im Zeitraum 2005-2022 war ein Wiederverkauf innerhalb von fünf Jahren, jede fünfte sogar innerhalb von nur zwei Jahren. Getrieben wird der rasante An- und Verkauf von Spekulation. Tatsächlich explodieren nicht nur die Preise, sondern auch die Bruttoverkaufsgewinne: Bei Gebäuden, die innerhalb von fünf Jahren weiterverkauft wurden, stieg der inflationsbereinigte (!) Gewinn von rund 278.800 Euro im Jahr 2005 auf 1,17 Millionen Euro im Jahr 2022.
Der Druck am Zinshaus-Markt in Wien steigt
Rund ein Fünftel aller 1,07 Millionen Wohnungen in Wien liegen in Altbau-Miethäusern. Im Betrachtungszeitraum wurde rund ein Viertel des Gebäudebestands an Altbau-Miethäusern verkauft, wobei fast alle (97 Prozent) dieser Gebäude zum Zeitpunkt der Transaktion bewohnt waren. Die hohen Kaufpreise erhöhen den Druck auf die Eigentümer, diese wiederum erhöhen den Druck auf die Mieter, um die Erträge zu »optimieren«.
Im zweiten Teil der Studie geht es um die Praktiken, mit denen Hauseigentümer versuchen, langjährige Mieter aus den Häusern zu verdrängen – und wie sich diese zur Wehr setzen.
Renditestrategien auf Kosten der Mieter
Durch die Veränderung der Bewirtschaftungsstrategie lassen sich die Renditen von Altbau- Miethäusern erheblich steigern. Dies geschieht etwa durch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder durch deren Nutzung als lukrative Ferienapartments. Auch bauliche Veränderungen, bis hin zum kompletten Abriss und Neubau im mietrechtlich unregulierten Neubausegment, gehören zu den Strategien.
Mieter mit unbefristeten Altverträgen stehen der Profitmaximierung im Weg, daher wird mehr oder weniger systematisch versucht, diese Altmieter loszuwerden. Die Studie konnte vier unterschiedliche Formen dieses Verdrängungsdrucks unterscheidbar machen – wobei meist mehrere dieser Druckformen gleichzeitig zum Einsatz kommen.
Widerstand
Betroffene Mieter reagieren mit unterschiedlichen Strategien auf diese Verdrängungsversuche. Die Studie dokumentiert drei zentrale "Bleibestrategien", mit denen sich Bewohner zur Wehr setzen.
Gemeinsame Organisierung: Über Hausversammlungen und Kommunikationsplattformen wie Chatgruppen tauschen Betroffene Erfahrungen aus, teilen Wissen und planen gemeinsame Schritte – bis hin zu kollektiv geführten Gerichtsverfahren.
Aufsuchen von Beratung und Rechtsbeistand: Mieterorganisationen wie die Mietervereinigung bieten entscheidende Unterstützung, um sich den Konflikten erfolgreich stellen zu können.
Öffentlichkeitsarbeit: Durch mediale Berichterstattung und die solidarische Prozessbegleitung wohnpolitischer Initiativen werden konkrete Konfliktfälle, aber auch allgemeine Verdrängungsprozesse in die öffentliche Diskussion gebracht. Die Studie macht jedoch deutlich, dass erfolgreicher Widerstand gegen Verdrängungsdruck nicht allen betroffenen Mietern möglich ist. Bleibestrategien erfordern ein gewisses Maß an legaler und finanzieller Absicherung sowie zahlreiche Ressourcen – Zeit, Wissen über Mieterrechte und Unterstützungsangebote, Deutschkenntnisse, ein persönliches Unterstützungsnetzwerk sowie psychische Belastbarkeit.
Politik in der Pflicht
Die Politik hat die Möglichkeit und aus Sicht der Mietervereinigung auch die Pflicht, die Rechte der (finanziell) Schwächeren zu stärken und die Rechte der (finanziell) Stärkeren auf ein gesellschaftlich verträgliches Maß zu begrenzen. Stadtsoziologin Mara Verlic erwähnt im Vorwort zur Studie die Stellschrauben, mithilfe derer sich die Situation für Mieter im privaten Altbausektor verbessern ließe: »Es braucht eine grundlegende Reform des Mietrechtsgesetzes mit klaren Obergrenzen, erweitertem Anwendungsbereich und einem weitgehenden Ende von befristeten Verträgen«, schreibt sie. Auch brauche es Strafen für Vermieter bei überhöhten Mieten und vernachlässigten Erhaltungspflichten.