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Österreich, Politik 10.03.2021

Mieterhöhung gestoppt!

  • Foto: lisegagne/istockphoto.com

Als am 24. Februar ein Mehrparteien-Antrag mit dem sperrigen Titel »Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz – MPFLG« im Nationalrat einlangte, war klar: Die Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten wird ausgesetzt! Damit wurde die direkte Mehrbelastung von rund 650.000 Haushalten während der Coronakrise abgewendet; insgesamt profitieren davon gar mehr als 1 Million Haushalte, weil auch die in den Betriebskosten inkludierten Verwaltungshonorare vorerst nicht steigen.

»Der Druck und die Beharrlichkeit der MVÖ in dieser wichtigen Frage macht sich für die Mieter bezahlt«, erklärt MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler. Die MVÖ hatte bereits zu Jahresbeginn auf die geplanten Mieterhöhungen aufmerksam gemacht und seither unermüdlich dagegen angekämpft. Ein gemeinsam mit der Arbeiterkammer (AK) am 10. Februar durchgeführtes Pressegespräch mit Hintergund-Informationen von Experten beider Institutionen verstärkte die mediale Präsenz des Themas. Der öffentliche Druck auf die Politik wuchs; die SPÖ unterstützte die Forderung nach einer Aussetzung der Mieterhöhungen und kündigte einen entsprechenden Antrag im Parlament an. Die Regierung lenkte schließlich ein und brachte das »MPFLG« auf den Weg.

Das ist jedoch kein Grund für die MVÖ, leiser zu werden. »Der Stopp der Mieterhöhungen ist ein erster richtiger Schritt – nun müssen rasch weitere folgen«, sagt Niedermühlbichler. »Es ist höchste Zeit, jetzt endlich auch den von uns seit Beginn der Pandemie vor einem Jahr geforderten Sicher-Wohnen-Fonds einzurichten, der Mieter mit corona-bedingten Zahlungsschwierigkeiten vor Kündigungen schützt und vor dem Verlust ihrer Wohnung bewahrt. Dazu braucht es einen ausreichend dotierten Fonds, der Mietern in Not rasch und unbürokratisch helfen kann.«

Worum es bei den Mieterhöhungen ging
Die - jetzt gestoppten - Mieterhöhungen hätten alle Mieter getroffen, die einen Richtwert- oder Kategoriemietzins bezahlen; allerdings in unterschiedlicher Höhe.

Der Richtwert betrifft rund 750.000 Mieter in ganz Österreich – alle, die in privaten Altbauten leben (vor 1945 errichtet) und deren Mietvertrag inklusive Anpassungsklausel nach dem 1. März 1994 abgeschlossen wurde sowie Richtwert-Neuverträge und in Wien auch eine große Zahl an Gemeindewohnungen. Alle zwei Jahre werden die Richtwerte laut Gesetz an die Teuerung angepasst und damit de facto erhöht. Zuletzt war das 2019 der Fall; heuer im März wäre es mit einer Erhöhung um 3 Prozent wieder so weit gewesen.

Die Kategoriemieten betreffen in Österreich rund 145.000 Haushalte, 52.000 davon in privaten Altbauwohnungen (vor 1945 errichtet) und deren Mietvertrag vor dem 1. März 1994 abgeschlossen wurde und eine Anpassungsklausel enthält. Bei Wiener Wohnen sind nach Schätzungen der AK etwas über 93.000 Haushalte betroffen. Ohne den Mieten-Stopp wären die Kategoriemieten um 5,5 Prozent gestiegen, weil die an die Inflation gekoppelte Steigerung des Mietenindex im Dezember 2020 die Schwelle von fünf Prozent erreicht hat.

Was der Mieten-Stopp bewirkt
Je nach Bundesland sind die Richtwertmieten verschieden, in Wien wäre mit einer Erhöhung der Richtwert von bisher 5,81 auf 5,98 Euro pro Quadratmeter gestiegen. »Die Erhöhung hätte bei einer 80-Quadratmeter-Wohnung in einem Altbau in Wien Mehrkosten von rund 185 Euro im Jahr gebracht«, rechnet Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der MVÖ Wien. In der Steiermark hätte die Erhöhung für eine 80-Quadratmeter-Wohnung jährlich mehr als 250 Euro ausgemacht – in Vorarlberg, wo die Richtwerte am höchsten sind, mehr als 280 Euro. Zum reinen Richtwert kommen aber oft noch unzählige, hohe Zuschläge.

Was die Kategoriemieten betrifft, so hätte die Erhöhung bei einer 80-Quadratmeter-Wohnung der Kategorie A rund 192 Euro im Jahr betragen, rechnet Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik und Wohnen der AK.

Zusätzlich hätten sich die Erhöhungen der Kategoriemieten auch auf die Betriebskosten durchgeschlagen. Denn für die Berechnung der Verwaltungshonorare werden die Beträge der Kategorie A herangezogen. Diese wären von 3,60 Euro auf 3,80 Euro je Quadratmeter Nutzfläche und Jahr gestiegen – das hätte laut AK rund 1 Million Haushalte betroffen.

Sicher-Wohnen-Fonds
Auch wenn mit dem Stopp der Mieterhöhungen fürs Erste Mehrbelastungen für viele Mieter abgewendet werden konnten, ist die Situation nach einem Jahr Pandemie dramatisch. »Die Arbeitslosigkeit ist massiv gestiegen, nach wie vor sind Hunderttausende in Kurzarbeit – und kein Ende der Corona-Krise in Sicht. Die Arbeitnehmer mussten alleine im zweiten und dritten Quartal 2020 mit rund 4,5 Milliarden Euro weniger Einkommen auskommen«, sagt Ritt.

In Österreich waren schon vor der Krise mehr als 380.000 Haushalte von ihren Wohnkosten überlastet und mussten mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Viele Mieter waren schon vor Corona am Limit und stehen jetzt vor riesigen Problemen. Hanel-Torsch: »Wir merken in unseren Beratungen, wie sich die Lage zuspitzt. Erste Mieter sind bereits mit Mietzins- und Räumungsklagen konfrontiert, weil sie ihre Miete nicht mehr oder nicht mehr zur Gänze zahlen konnten.«

So könnten heuer aktuellen Schätzungen der AK zufolge rund 49.000 Kündigungen und Räumungsklagen drohen. Die Anzahl der Delogierungen 2021 könnte sich im Vergleich zu 2020 mehr als verdoppeln – bis zu 17.000 Mietern droht der Wohnungsverlust, befürchten Experten.

Ende März laufen überdies die Mietstundungen für die Mieten aus April, Mai und Juni 2020 aus. Dann müssen Mieter bis zu vier Monatsmieten zahlen, sonst droht eine Mietzinsklage.

Die Experten der MVÖ und der AK sind sich einig, dass nun dringend gehandelt werden muss und es einen »Corona-Schutz« für Mieter braucht. »Seit Juli gibt es keinen Schutz mehr für Mieter, die coronabedingte Zahlungsschwierigkeiten haben. Wenn jetzt keine weiteren Schritte für Mieter gesetzt werden, droht eine Klagewelle. Die Regierung muss nun rasch handeln, sonst riskiert sie Delogierungen und Obdachlosigkeit«, fordert Niedermühlbichler. »Der Sicher-Wohnen-Fonds ist ein Gebot der Stunde.«

 

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