Österreich, Recht 31.07.2014
Aus unserem Magazin Fair Wohnen (Download)
Antwort: Beides wurden unter der Regierungszeit von Kaiserin Maria Theresia in den Jahren 1740 bis 1780 beschlossen und umgesetzt.
Es gibt aber noch einen weiteren Zusammenhang. Die Maßnahmen wurden aufgrund des damals noch weitverbreiteten Analphabetismus in der Bevölkerung eingeführt. Denn die meisten Menschen konnten im theresianischen Österreich weder schreiben noch lesen. Ein großes Problem, wenn es um die Verfassung schriftlicher Übereinkünfte wie Mietverträge ging. Kaiserliche Finanzbeamte sprangen daher ein und übernahmen die Vertragserrichtung. Die Mietvertragsgebühr wurde als Entlohnung dieser Tätigkeit gesetzlich festgeschrieben.
Rund 250 Jahre sind seit damals vergangen, und nicht zuletzt durch Maria Theresias Schulreform gehört der Analphabetismus in Österreich weitgehend der Vergangenheit an. Die Mietvertragsgebühr ist aber geblieben. Und was seinerzeit vielleicht noch mit einer gewissen Berechtigung kassiert wurde, ist heute nur noch eine sinnentleerte Geldbeschaffungsaktion.
Wer in Österreich eine Wohnung neu mietet, zahlt ein Prozent der Bruttomiete von drei Jahren als Gebühr an den Staat. (siehe Vergebührung) Wofür, das kann niemand sagen. Denn die Mietvertragserrichtung erfolgt schon längst nicht mehr so wie in der Barockzeit durch die Finanzämter. Dennoch hebt die Finanzministerin für jeden abgeschlossenen Mietvertrag diese im wahrsten Sinn des Wortes historische Gebühr ein. Ein dreistelliger Millionenbetrag landet auf diese Weise jährlich in der Staatskasse.
Bezahlt wird die Mietvertragsgebühr in aller Regel von den Mietern, die ohnehin unter den ständig steigenden Wohnkosten zu leiden haben. Mieterschutzorganisationen und Arbeiterkammer fordern daher schon seit Jahren die Abschaffung dieses Relikts aus der Kaiserzeit. Auch Wirtschaftsvertreter und der Österreichische Rechtsanwaltskammertag plädieren ebenso für eine Streichung. Es liegt also am Parlament, damit die Mietvertragsgebühr endlich Geschichte wird.