Österreich, Service, Wien 23.06.2020
Warum es sich für Mieter auszahlen kann, die Betriebskostenabrechnung genau zu kontrollieren, illustriert ein aktueller Fall der Mietervereinigung Wien.
Bunt wie das Treiben in der Begegnungszone der Wiener Mariahilfer Straße an einem Samstag ist auch die Nutzung der Gebäude. Geschäfte, Lokale, Vereine, Büros, Ordinationen und natürlich auch Wohnungen liegen hier neben- und oft auch übereinander.
In einem dieser gemischt genutzten Häuser wohnt Max Kirsch (Name von der Redaktion geändert). 2017 wurden ihm von der Hausverwaltung Betriebskosten in Höhe von 31,70 Euro netto (pro m² Nutzfläche im Jahr) verrechnet – ohne Lift. Kirsch verglich diesen Wert mit dem von der Mietervereinigung erstellten Betriebskostenspiegel, in dem als Durchschnittswert 25,20 €/m² ausgewiesen wurden. Auf der Suche nach eventuellen Fehlern in der Betriebskostenabrechnung wandte sich der Mieter an die Experten der Mietervereinigung (MVÖ).
Hohe Kosten für Müllabfuhr
Bei der genauen Überprüfung der Abrechnung stellte MVÖ-Teamleiterin Marisa Perchtold fest, dass die Kosten für die Müllabfuhr aus dem Rahmen fielen – statt 2,85 €/m² (Durchschnitt des Betriebskostenspiegels) wurden satte 7,46 €/m² verrechnet. Grund dafür: Für die Liegenschaft standen acht Restmüllbehälter mit einem Fassungsvermögen von 240 Litern zur Verfügung; diese wurden 6 Mal pro Woche entleert. Dies ergibt ein jährliches Restmüllaufkommen von 599 Kubikmetern, was rund 18 randvoll geladenen großen Lkws entspricht. Zu viel? Die Antwort fand Perchtold in den Planungsrichtlinien der zuständigen Magistratsabteilung 48, wonach in einem Haus mit 36 Wohnungsmietern ein jährliches Restmüllaufkommen von rund 228 Kubikmetern zu erwarten ist – also weniger als die Hälfte.
Gewerbebetriebe im Haus
Weil in dem Haus mit insgesamt 36 Mietgegenständen nur 25 als Wohnungen genutzt werden, dafür 11 als gewerblich genutzte Objekte - unter anderem als Boutiquen, Imbiss- und Kosmetikläden – schien das unverhältnismäßig hohe Müllaufkommen den Gewerbebetrieben anzulasten zu sein (siehe Info-Kasten unten). Im Februar 2019 eröffnete Perchtold daher für Kirsch ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle.
Dort schloss man sich der Argumentation der MVÖ im Wesentlichen an und identifizierte die Gewerbebetriebe als Verursacher des Mehrverbrauchs. In ihrer Entscheidung vom September 2019 rechnete die Schlichtungsstelle vor, dass die Gewerbetreibenden nach Nutzflächen nur knapp 30 Prozent der Betriebskosten tragen, jedoch mehr als 73 Prozent des angefallenen Mülls verursachten. Der über den normalen Verbrauch hinausgehende Müllverbrauch (370 Kubikmeter) sei daher zur Gänze den Gewerbebetrieben anzulasten – dies entspreche 61,8 % der verrechneten Kosten.
Rückzahlung
Die Entscheidung wurde im November rechtskräftig. MVÖ-Mitglied Kirsch steht eine Rückzahlung von über 1.200 Euro zu. Nachdem bislang weder Hausverwaltung noch Eigentümer die Refundierung vornahmen, wurde von der MVÖ ein Anwalt mit der Eintreibung der offenen Forderung beauftragt.
Abrechnung der Betriebskosten
Bei der Abrechnung der Betriebskosten im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) gilt grundsätzlich, dass eine Verteilung nach Nutzflächen erfolgt. Die Betriebskosten (Wasser, Müll, Reinigung, etc.) werden in der Regel jeweils für das gesamte Gebäude verrechnet. Es gibt also nur Gesamtrechnungen.
Als einzelner Mieter bezahlt man daran einen prozentualen Anteil, abhängig von der Größe der eigenen Wohnung. Zur Berechnung werden die Bodenflächen aller vermietbaren Wohnungen und Geschäftslokale zusammengezählt und so der eigene Prozentsatz an der Gesamtnutzfläche errechnet.
Wenn einzelne (gewerbliche) Mieter unverhältnismäßig hohe Betriebskosten verursachen, kann dieser Aufteilungsgrundsatz durchbrochen werden. In diesem Fall wird das Übermaß aus Billigkeitsgründen allein diesem Mieter – unter Abweichung vom allgemeinen Betriebskostenschlüssel – auferlegt. Dies gilt beispielsweise bei unverhältnismäßig hohem Wasserverbrauch oder bei hohem Müllaufkommen durch einen Gewerbebetrieb. Unverhältnismäßig ist ein Mehrverbrauch jedenfalls dann, wenn der Verbrauch mehr als das Doppelte des Betriebskostenanteils beträgt.
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