Österreich, Politik, Recht, Service 17.09.2021
In der Urlaubszeit wurde das neue Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) präsentiert. Fair Wohnen hat die Auswirkungen der neuen Regelungen analysiert: Auf die Mehrzahl der Mieter kommen Mehrkosten zu. Die Mietervereinigung fordert eine gerechtere Verteilung der Kosten bei der bevorstehenden »Öko-Steuerreform«.
Bis zuletzt wurde um Details gerungen, am 7. Juli wurde schließlich im Nationalrat mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit das Bundesgesetz über den Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – EAG) beschlossen.
Fair Wohnen hat das neue Gesetz einer genaueren Betrachtung unterzogen. Was soll das EAG bewirken? Wer profitiert? Wer zahlt drauf? Und: Wie geht es mit der »Energiewende« weiter?
Wozu EAG?
Das EAG ist ein Sammelgesetz, mit dem mehrere andere Gesetze geändert werden. Das Ziel ist, den Ausbau erneuerbarer Energie voranzutreiben. Bis zum Jahr 2030 soll, rein rechnerisch, Österreichs Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Investitionen nötig – dafür soll bis 2030 jährlich 1 Milliarde Euro an Förderung ausgeschüttet werden.
Wer profitiert?
Mithilfe sogenannter »Marktprämien« wird künftig die Erzeugung von Strom aus Wasser- und Windkraft sowie Photovoltaik und fester Biomasse gefördert. Für die Neuerrichtung und den Ausbau bestehender Windkraft- und Photovoltaikanlagen gibt es Investitionszuschüsse. Schließlich wird auch der Ausbau von grünem Gas (Biomethan aus landwirtschaftlichen Reststoffen oder Bioabfällen sowie Wasserstoff) mit 80 Millionen Euro pro Jahr gefördert.
Was sich durch das neue EAG weiterhin nicht ändert, ist die Schieflage bei der Verteilung der Stromkosten. Schon jetzt ist es so, dass die Haushalte den größten Anteil an der Ökostromförderung tragen, obwohl sie nur ein Viertel des Stroms verbrauchen. Die Industrie trägt dagegen nur 21 Prozent der Ökostromförderkosten, obwohl sie rund 43 % der Strommenge bezieht (siehe Studie: »Power Burden«, Verbrauch und Kostenverteilung im österreichischen Stromsektor - (PDF))
Wer zahlt?
Eines ist klar: Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien werden die Kosten für Energiekunden stark steigen. Ein durchschnittlicher Haushalt, der Strom und Gas bezieht, wird künftig jährlich rund 60 Euro mehr als bisher zahlen müssen. Rund 120 Euro Ökostromabgabe (bisher rund 90 Euro) sowie rund 30 Euro Grüngas-Förderbeitrag (neu). Darin sind die Kosten für den erforderlichen Netzausbau noch gar nicht enthalten, wie Josef Thoman, Experte der Arbeiterkammer (AK) im Gespräch mit Fair Wohnen erklärt: »Wir rechnen aufgrund des massiven Ausbaus der erneuerbaren Energie sowie neuen Anwendungen auf Seiten der Verbraucher und Industrie in den nächsten Jahren beim Netzausbau mit hohen Investitionen und gehen davon aus, dass die Netzkosten in den kommenden Jahren sukzessive steigen.«
Mehrkosten für Stromkunden
Vom künftigen Netzausbau abgesehen, rechnet AK-Experte Thoman für Stromkunden mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 3.500 kWh mit 120 Euro Ökostromabgabe im Jahr. Schon bisher wurde ja Ökostrompauschale und -förderbeitrag kassiert, wobei diese in Summe 2020 rund 90 Euro im Jahr ausmachten. Neu ist, dass das EAG vorsieht, dass der Förderbetrag sowie die Förderpauschale – gedeckelt mit 1 Milliarde Euro - jedes Jahr per Verordnung angepasst werden. »Vereinfacht gesagt hängt das davon ab, wie sich der Strompreis entwickelt und wie viele neue Anlagen dazugekommen sind«, sagt Thoman. Denn: Steigt der Großhandels-Strompreis, braucht es weniger Förderungen. Sinkt dagegen der Strompreis, steigen die Förderungen.
GIS-Befreite müssen nicht zahlen
Eine Einigung in letzter Sekunde brachte noch eine Verbesserung für GIS-Gebühr-Befreite – sie werden vom Erneuerbaren Förderbeitrag, der Pauschale und dem Grüngas-Beitrag ausgenommen. Künftig reicht es, wenn eine Person im Haushalt GIS-befreit ist und das gemeinsame Haushaltseinkommen unter einer bestimmten Höhe bleibt, um sich von den jährlichen Förderkosten befreien zu lassen. Die Zahl der Haushalte, die von dieser Regelung profitieren, werde sich von rund 130.000 auf 300.000 erhöhen, rechnet Thoman.
GIS-Befreiung
Weder Ökostromabgabe noch Grüngas-Förderbeitrag bezahlen müssen nach dem EAG Haushalte, die von der Rundfunkgebühr (GIS-Gebühr) befreit sind. Von der GIS-Gebühr können folgende Personengruppen befreit werden: Arbeitslose, Gehörlose, Bezieher von Kinderbetreuungsgeld sowie Bezieher von Leistungen aus öffentlichen Mitteln, von Mindestsicherung, Pension, Pflegegeld und Studienbeihilfen. Das monatliche Nettoeinkommen des Haushalts muss unter bestimmten Grenzen liegen: Für das Jahr 2021 liegt die Einkommensgrenze für Einpersonenhaushalte bei € 1.120,54 netto monatlich und für Zweipersonenhaushalte bei € 1.767,76. Für jede weitere Person gibt es eine Erhöhung von € 172,89. Eine Hilfe zur Berechnung, ob für ihren Haushalt eine GIS-Befreiung möglich ist, finden Sie auf der Webseite der GIS.
Für weitere rund 350.000 Haushalte mit niedrigem Einkommen, die nicht zu den Personengruppen der GIS-Befreiung zählen, aber unter dem Befreiungssatz liegen, gibt es eine Deckelung der Stromförderkosten in Höhe von 75 Euro – nicht aber für den Grüngas-Förderbetrag.
Mehrkosten für Gaskunden
Neben den Mehrkosten für Strom beschert das neue EAG auch Gaskunden eine zusätzliche Belastung – sie müssen nämlich eine Grüngas-Förderung von 40 Millionen Euro im Jahr zahlen. Für einen privaten Haushalt mit einem Durchschnittsverbrauch von 15.000 kWh werde die Belastung in etwa 30 Euro ausmachen, schätzt der AK-Experte. Die AK hatte für die Förderung von Grünem Gas eine Finanzierung aus Steuermitteln gefordert, war damit aber nicht durchgedrungen. Damit werden nun auch Mieter mit Gasetagenheizungen - die wohl kaum die Möglichkeit haben, auf eine andere Heizform zu wechseln – zur Kasse gebeten.
Körberlgeld für Finanzminister
Zur Kasse bittet auch der Finanzminister – denn: Erneuerbaren Förderbeitrag, Förderpauschale, sowie Grüngas-Förderbeitrag unterliegen der Umsatzsteuer. »Die privaten Haushalte kommen also für die Förderung auf und zahlen dafür auch noch Umsatzsteuer«, kritisiert Thoman. Ein Verzicht auf die Umsatzsteuer hätte AK-Berechnungen zufolge den Haushalten mindestens 88 Millionen Euro im Jahr erspart, ohne einen einzigen Förder-Euro zu verlieren.
Was kommt noch?
Die »Energiewende« ist freilich mit dem EAG nicht zu Ende, vielmehr steht Österreichs Haushalten mit einer »Ökosteuer« und CO2-Abgabe ab 2022 das nächste Belastungspaket bevor. Details dazu sind noch nicht bekannt, am Beispiel Deutschland lässt sich aber die Richtung erahnen. Im Nachbarland gilt seit Anfang 2021 ein CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne. Dieser Preis werde in ein paar Jahren auf 50-60 Euro steigen, erwartet Thoman »erhebliche Kosten, die auf Gasverbraucher zukommen.« Zur Abfederung der Belastung für Haushalte schlägt die AK einen »Ökobonus Plus« vor. Dieses Modell sieht einen Pauschalbetrag vor, der für alle Personen gleich hoch ausbezahlt wird, sowie zusätzliche Mittel für Pendler und energiearme Haushalte. »Damit könnten Klein- und Mittelverdiener einen effektiven Ausgleich bekommen.« Trotzdem gebe es einen Anreiz, Energie zu sparen oder den Energieträger zu wechseln. Wer keine Möglichkeit zum Wechsel habe, soll so eine Förderung von bis zu 100% bekommen.
Mietervereinigung: Neue Belastungen für Mieter abwenden
Die Mietervereinigung (MVÖ) spricht sich klar gegen eine zusätzliche Belastung der Mieter durch CO2-Preise aus. »Mieter können nicht beeinflussen, welche Heizungsanlage in der Wohnung installiert ist. Es wäre daher ungerecht und auch klimapolitisch verfehlt, wenn der CO2-Preis für den Betrieb dieser Heizungen den Mietern aufgebürdet wird«, erklärt MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler. »Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite Mieter mehr bezahlen müssen, damit sich auf der anderen Seite Vermieter Investitionen in klimafreundlichere Heizformen und energetische Sanierungen ersparen können.«
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