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Österreich, Politik, Service 05.07.2022

So mietet Österreich - Zahlen und Fakten der großen MVÖ-Umfrage

  • So mietet Österreich - Sujetbild: istockphoto.com, Grafik: MVÖ

Die große Mitglieder-Umfrage der Mietervereinigung zeigt, wie Österreich wohnt und mietet. Die Ergebnisse machen deutlich, wo die größten wohnpolitischen Baustellen liegen und was es braucht, um leistbares Wohnen zu sichern.

 

Österreich gilt international als Land der Mieter. Mit einer Mietquote von 43 Prozent liegt man im europäischen Spitzenfeld – nur in der Schweiz (58%) und in Deutschland (49%) gibt es anteilig mehr Haushalte, die zur Miete wohnen.

Wohnfläche
Was die Wohnsituation betrifft, bestehen zwischen Mietern und Haus- bzw. Wohnungseigentümern signifikante Unterschiede. Hauseigentümer wohnen hierzulande durchschnittlich auf doppelt so großer Fläche wie die Mieter.

 

Durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung in m2; Grafik: MVÖ


Wohnkosten ungleich verteilt
Umgekehrt stellt sich die Situation bei den Wohnkosten (Miete, Betriebskosten, Zinsen für Kredite, Heizung, Energie, Instandhaltung) dar. Haushalte in privaten Mietwohnungen geben im Schnitt 30% ihres Einkommens fürs Wohnen aus, Genossenschafts- und Gemeindemieter rund ein Viertel, während Wohnungseigentümer mit 16% und Hauseigentümer mit 11% anteilig die geringsten Aufwendungen stemmen müssen.

 

Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen; Grafik: MVÖ


Die Gruppe der Mieter unterteilt sich in drei größere Sektoren: 16% leben in Gemeindewohnungen, 40% in Genossenschaftswohnungen und 44% in meist privaten Mietwohnungen.

 

Die Mietervereinigung hat im Herbst 2021 mehr als 1.400 Mitglieder in einer großen, anonymisierten Online-Umfrage von Reichmann Research Consulting zu ihren Wohnverhältnissen befragt. Wie hoch sind die tatsächlichen Wohnkosten? Empfinden die Mieter die Höhe ihrer Miete als gerechtfertigt? Die Antworten sprechen für sich.

 

Wie hoch sind die Wohnkosten?
Die Ergebnisse der MVÖ-Umfrage zeigen in Bezug auf die Wohnkosten (Miete inkl. Betriebkosten, Heizung, Strom) deutliche Unterschiede zwischen den Sektoren Gemeinde-, Genossenschafts- und Privatwohnungen. Zwei von drei Haushalten, die in einer Gemeindewohnung mieten, haben Wohnkosten von bis zu 700 Euro im Monat – in Genossenschafts- und Privatwohnungen bleibt nur einer von drei Haushalten unter dieser Grenze. Der Anteil jener, die über 900 Euro pro Monat an Wohnkosten stemmen müssen, liegt bei den Befragten bei 16% in Gemeindewohnungen, steigt bei Genossenschaftswohnungen auf 35% und erreicht in Privatwohnungen gar 43%.

 

Wohnkosten nach Sektoren in Österreich; Grafik: MVÖ


Befristungen
Eklatant unterscheiden sich die Wohnkosten auch zwischen befristeten und unbefristeten Mietverhältnissen. Befristungen sind fast ausschließlich im privaten Segment anzufinden, wo im Bestand beinahe schon jeder zweite Vertrag befristet ist (47%). Der Anteil an Befristungen im Bestand steigt von Jahr zu Jahr, denn drei von vier neuen privaten Mietverträgen werden nur noch befristet abgeschlossen. Marginal ist der Befristungsanteil in Wohnungen von Gemeinden (3%) und gemeinnützigen Bauvereinigungen (6%).

Befristete Mietverträge sind deutlich teurer als unbefristete. In der MVÖ-Umfrage musste mehr als die Hälfte der Mieter mit einem befristeten Vertrag mehr als 900 Euro an Wohnkosten stemmen, während dies bei unbefristeten Verträgen nur 37% betraf.

 

Wohnkosten in Österreich - befristete und unbefristete Verträge; Grafik: MVÖ


Nur 23% der Befragten mit einem befristeten Vertrag bewerten die Höhe ihrer Miete als angemessen, 77% finden sie zu hoch. Bei Mietern mit unbefristetem Vertrag liegt das Verhältnis bei 45:55.


Wie hoch sind angemessene Wohnkosten?
Bis zu welchem Betrag empfinden Mieter in Österreich die Höhe ihrer Wohnkosten insgesamt als angemessen? Die MVÖ-Umfrage zeigt, dass Wohnkosten von bis zu 700 Euro von der Mehrheit noch als gerechtfertigt bewertet werden. Ihre Wohnkosten von bis zu 500 Euro bewerten nur 14% der Befragten als zu hoch, 75% jedoch als angemessen.

In der Bandbreite von 501-700 Euro steigt der Anteil jener, die ihre Wohnkosten als nicht angemessen empfinden, auf 38%. Ab 701 Euro steigt dieser Anteil auf 52% und erreicht bei Wohnkosten jenseits der 1.100-Euro-Marke bereits 76%.

 

Angemessene Wohnkosten in Österreich; Grafik: MVÖ


Der MRG-Effekt
Bei einer Analyse nach Bauperioden der Miethäuser zeigt sich – schwach, aber doch – der preisdämpfende Effekt des Mietrechtsgesetzes (MRG). In vor 1945 errichteten Gebäuden (sogenannten »Altbauten«) hält eine knappe Mehrheit der Mieter ihre Ausgaben fürs Wohnen für angemessen. Danach kehrt sich dieses Verhältnis um. Einen Hinweis, dass seit Jahrzehnten zu wenige leistbare Mietwohnungen auf den Markt kommen, liefern die Daten ab 2000: Für 70% der Mieter sind die Wohnkosten in diesen Häusern »viel zu hoch« bzw. »zu hoch«.

 

Angemessene Wohnkosten nach Bauperioden in Österreich; Grafik: MVÖ


Belastung durch Wohnkosten
Bei der Wohnkosten-Belastung der befragten Haushalte zeigt sich, dass diese für mehr als zwei Drittel der Mieter im privaten und im gemeinnützigen Sektor groß bzw. spürbar ist. In Gemeindewohnungen stellen die Wohnkosten für jeden Fünften eine große, für jeden Dritten eine spürbare Belastung dar; für 42% und damit die größte Gruppe im Vergleich bleibt die Belastung hier jedoch gering bzw. nicht spürbar.

 

Belastung durch Wohnkosten nach Mietsektor in Österreich; Grafik: MVÖ


Gleichwertige Wohnung verfügbar?
Ein deutliches und gleichzeitig alarmierendes Ergebnis lieferte unsere einfache Frage: »Wenn Sie am Ende des Monats ihre Wohnung wechseln müssten, könnten Sie Ihrer Ansicht nach zum selben Preis eine gleichwertige Wohnung beziehen?« Hier antworteten insgesamt 83% der Befragten mit einem klaren Nein. Gar nur 2% jener Mieter, die ihre Wohnkosten als angemessen bewerteten, konnten sich vorstellen, eine gleichwertige Wohnung zu finden!

Selbst jene, die ihre Wohnkosten in der aktuellen Wohnung als (viel) zu hoch einschätzten, rechneten im Fall eines Wohnungswechsels zu 73% mit einer Verschlechterung.

 

Gleichwertige Wohnung zum selben Preis; Grafik: MVÖ


Betriebskostenabrechnungen
Mieter haben ein gesetzliches Recht auf Betriebskostenabrechnungen. Wie die Praxis der MVÖ zeigt, kann es sich lohnen, die Abrechnung zu kontrollieren. Dazu muss man sie freilich überhaupt erst erhalten haben. Sowohl im Gemeindebau als auch im geförderten Wohnbau wird fast allen Mietern die Abrechnung zugänglich gemacht, wie die MVÖ-Befragung ergab. Rund jeder vierte Privatmieter gab jedoch an, keine Abrechnungen zu erhalten.

 

Erhalten Mieter Betriebskostenabrechnungen?; Grafik: MVÖ


Hausverwaltung
Mietern werden zwar die Kosten für die Hausverwaltung verrechnet, ein Mitspracherecht bei der Bestellung dieser haben sie aber nicht. Im Anwendungsbereich des MRG können für die Hausverwaltung 3,80 Euro je Quadratmeter Nutzfläche und Jahr verrechnet werden – das macht bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung immerhin 293 Euro im Jahr aus. Nur rund ein Drittel der Mieter ist mit der Leistung ihrer Hausverwaltung zufrieden.

 

Zufriedenheit der Mieter in Österreich mit der Hausverwaltung; Grafik: MVÖ

 

Umfrage zeigt Handlungsbedarf auf
Die große MVÖ-Umfrage untermauert, dass Wohnen vor allem im privaten Sektor zunehmend unleistbar wird. Ein Grund dafür ist, dass bereits bei der Mehrzahl aller privaten Mietverhältnisse das Mietrechtsgesetz (MRG) mit seinen ohnehin schwammigen Preisgrenzen nicht mehr zur Anwendung kommt, da der Geltungsbereich des Gesetzes auf einen längst vergangenen Errichtungszeitraum der Gebäude (1945!) abstellt. Dadurch wird der Anwendungsbereich des Gesetzes im Verhältnis zum Wohnungsangebot immer kleiner.

Ein zweiter Grund ist die rasante Zunahme der befristeten Mietverträge, die Mietern nicht nur wichtige Rechte nehmen, sondern auch die Wohnkosten in die Höhe treiben. Bei jedem Wohnungswechsel werden unter anderem Kosten für Umzug, Kaution, Provision, Ummeldung etc. fällig.

Zentrale Forderungen der Mietervereinigung
Konkrete Vorschläge, wie Wohnen wieder leistbar werden könnte, liegen seitens der Mietervereinigung seit langem auf dem Tisch. Zentrale Forderungen sind:

 

  • Ein Mietrecht für alle mit klaren Mietzinsobergrenzen,
  • eine Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten,
  • sowie eine Senkung der Betriebs- und Kautionskosten.


Ein Mietrecht für alle
Der Anwendungsbereich des MRG soll auf alle Mietverhältnisse ausgedehnt werden.

Klare Mietzinsobergrenzen
Das Fehlen von klaren gesetzlichen Richtlinien für Zu- und Abschläge im Richtwertsystem hat zu einem Wildwuchs von Zuschlägen geführt, der selbst Fachleute vor Probleme stellt. Die MVÖ tritt daher für klare und nachvollziehbare Mietzinsobergrenzen ein. In einem Zu- und Abschlagskatalog sollen die Zuschläge auf maximal 25% vom Richtwert gedeckelt werden.

Außerdem treten wir für die Abschaffung des Lagezuschlags ein, der nur die Infrastrukturleistungen der Gemeinde widerspiegelt, aber keinen persönlichen Leistungseinsatz des Liegenschaftseigentümers.

Um die Teuerungsspirale im Bereich der Mieten anzuhalten, soll die automatische Valorisierung gestoppt werden.

Für alte Möbel, deren wirtschaftliche Lebensdauer überschritten ist, soll keine Möbelmiete mehr verrechnet werden dürfen.

Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten
Gesichertes und leistbares Wohnen ist eine Grundvoraussetzung, um am sozialen Leben einer Gesellschaft teilhaben zu können. Befristungen bedeuten nicht nur Unsicherheit für die Mieter, sondern steigern außerdem die Gesamtwohnkosten. Die MVÖ fordert eine Mindestvertragsdauer von 5 Jahren. Außerdem soll der Befristungsabschlag mindestens 50 Prozent betragen und Mieter sollen jederzeit kündigen können.

Betriebskosten senken
Jahr für Jahr werden den Mietern Kosten, die eigentlich der Hauseigentümer zu tragen hätte, weiterverrechnet. Grundsteuer, Versicherungsprämien und Verwaltungshonorar sollen aus dem Betriebskostenkatalog entfernt werden.

Maklerprovision für Mieter abschaffen
Der Abschluss eines Mietvertrages kommt Mieter teuer. Maklerprovisionen erhöhen die tatsächlichen Wohnkosten. Die MVÖ tritt dafür ein, dass ein Makler vom Auftraggeber (in der Regel ist das der Vermieter) bezahlt wird.

 

Das Justizministerium hat vor kurzem einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der das Bestellerprinzip in Österreich verankern soll. Doch der Entwurf bietet in seiner Erstfassung Umgehungsmöglichkeiten. Die MVÖ hat deshalb in einer Stellungnahme Änderungen eingefordert.

Kautionskosten senken
Allein die Kaution verschlingt derzeit drei bis sechs Brutto- Monatsmieten. Kautionen sollen der Höhe nach mit maximal zwei Bruttomonatsmieten beschränkt werden.

Faire Rechtsdurchsetzung
Der Weg zum Recht darf nicht durch bürokratische und finanzielle Hürden versperrt sein. Die Durchsetzung sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Wohnrecht muss ohne Kostenrisiko im Außerstreitverfahren abgewickelt werden können.

Leerstandsabgabe
Durch lang leer stehende Wohnungen wird der verfügbare Wohnraum künstlich verknappt. Die MVÖ fordert, dass Leerstände nach sechs Monaten verpflichtend gemeldet werden müssen und eine Abgabe für Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten, die unbegründet länger leer stehen.

Strafen bei Mietwucher
Im Normalfall werden Vergehen gegen Gesetze auch geahndet. Das Mietrecht soll hier keine Ausnahme darstellen. Derzeit gibt es für Vermieter, die überhöhte Mieten verlangen, außer einer drohenden Rückzahlung keine Konsequenzen. Die MVÖ fordert daher für vorsätzlich und wiederholt überhöhte Mieten Verwaltungsstrafen. Die eingehobenen Beträge sollen für sozialen Wohnbau zweckgebunden werden.

Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, Tel.: 050195, Fax: 050195-92000, zentrale@mietervereinigung.at, ZVR - Zahl 563290909
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