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Österreich, Politik 29.11.2022

Mietpreisbremse muss jetzt kommen

  • Mietpreisbremse; Foto: geber86/istockphoto.com

Drei Mieterhöhungen in einem Jahr? Das muss und kann nicht sein! Mietervereinigung und Arbeiterkammer verlangen eine Mietpreisbremse, wie es sie in anderen Ländern bereits gibt. Die Bundesregierung muss endlich handeln.

 

Die Nachbarin hat schon kapituliert. »Sie ist vor wenigen Tagen ausgezogen«, erzählt Frau Steiner (Name von der Redaktion geändert). Mehr als 30 Jahre habe sie nebenan gewohnt. Nun sei die Wohnung für die Pensionistin unleistbar geworden.

Mietrechtlich gilt der Bau aus den frühen 1980er-Jahren als freifinanzierter »Neubau« - hier gelten die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes (MRG) nur zum Teil, echte Preisgrenzen gibt es nicht. Die Miete wird erhöht,wenn der Anstieg des Verbraucherpreisindex eine 3%-Schwelle überschreitet. Was bisher vielleicht alle zwei Jahre vorkam, geschieht nun mehrmals im Jahr.

Frau Steiner fürchtet, ihre eigene Wohnung nicht mehr lange bezahlen zu können. »Ich lebe von einer mittleren Pension«, sagt sie. Miete, Betriebs- und Heizkosten verschlingen mittlerweile mehr als 1.400 Euro – und die nächste Erhöhung wird bald da sein. Was dann? »Bitte fordern sie eine Lösung für alle Mieter. In unserem Haus gibt es keine einzige wohlhabende Partei. Wir bekommen trotzdem neue Mietvorschreibungen am laufenden Band.«

Immer mehr Mieter in Österreich geraten wegen der Teuerungen in Zahlungsschwierigkeiten. Auf der einen Seite stehen Preissteigerungen bei Energie – auf der anderen Seite erhöhen Vermieter die Mieten gleich mehrmals in einem Jahr.

»Wertsicherungen«
Der Hintergrund: In praktisch allen Mietverträgen, die der Mietervereinigung vorgelegt werden, finden sich sogenannte »Wertsicherungsvereinbarungen«. Die Schwellenwerte liegen über die Verträge verteilt zu etwa gleichen Anteilen bei 3% und 5%. Seltener, vor allem bei älteren Verträgen, sind 10% zu finden. Außerdem sind jährliche Anpassungsklauseln ohne Schwellenwert in Verwendung.

 

Mehrbelastungen
Die Mehrbelastungen sind hoch und betreffen einen Haushalt wie folgt:

  • Die Kategoriemieten sind drei Mal erhöht worden: Kategorie A von 3,60 € auf 4,23 €

pro m2 – das ist ein Plus von 17,5 Prozent. Das bedeutet für einen 70m2-Haushalt Mehrkosten von rund 580 Euro im Jahr.

  • Bei einem Vertrag im freifinanzierten »Neubau« mit einer 3-Prozent-Schwelle gab es heuer bereits drei Erhöhungen. Das bedeutet für einen 70m2-Haushalt Mehrkosten von rund 1.200 Euro im Jahr.
  • Die Mehrzahl aller Mieter trifft zusätzlich noch eine Betriebskosten-Erhöhung wegen der Erhöhung des Verwaltungshonorars. Das bedeutet für einen 70m2-Haushalt Mehrkosten von zusätzlich noch einmal 50 Euro im Jahr.

 

Handhabe gefordert
Die Mietervereinigung kann hilfesuchenden Mietern in vielen Fällen helfen: Bei überhöhten Mietzinsen, bei falsch verrechneten Betriebskosten, beim Streit um Kautionen und vielem mehr. Gegen die sogenannten »Wertsicherungen« in den Mietverträgen gibt es aber derzeit keine rechtliche Handhabe.

400 Millionen Euro
AK-Wohnpolitikexperte Lukas Tockner rechnet vor: »Alle indexbasierten Mieterhöhungen belasten die betroffenen rund 1,8 Millionen Mieter insgesamt mit etwa 400 Millionen Euro. Davon entfällt mit rund 350 Millionen Euro der Löwenanteil auf das private Segment.«

»So kann es nicht weitergehen. Die Bundesregierung muss handeln. Wir brauchen endlich ein faires Mietrecht für alle, mit echten Preisgrenzen. Die Befristungen müssen weg, die Betriebskosten müssen gerechter aufgeteilt werden«, fordert Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien.

Mietpreisbremse sofort
An sinnvollen Verbesserungsvorschlägen mangelt es nicht. »Angesichts der enormen Belastungen, die Mieter jetzt tragen müssen, braucht es rasche Lösungen – eine Soforthilfe. Mehrere Länder in Europa haben schon wirksame Mietpreisbremsen umgesetzt, etwa Spanien, Portugal, Frankreich, die Schweiz. Wir brauchen jetzt eine Mietpreisbremse für Österreich. Die Mieten sollen nicht öfter als einmal im Jahr erhöht werden, und die Erhöhung soll auf zwei Prozent begrenzt werden – und zwar so lange, bis die längst überfällige Mietrechtsreform da ist.«


Immobranche macht üppige Sondergewinne
Auf der anderen Seite steht die Immobranche mit hohen Sondergewinnen da. Ihre Mieteinnahmen wachsen seit 2008 exorbitant. 5,5 Milliarden Euro liegen in der Mietzinsreserve und die Eigenkapitalrentabilität ist sehr gut.

Mieteinnahmen: +123 Prozent
»Die Mieteinnahmen wachsen viel dynamischer als die Wirtschaft insgesamt. Während das (nominelle) Bruttoinlandsprodukt zwischen 2008 und 2021 um 37 Prozent  anwuchs, haben sich die Mieteinnahmen mehr als verdoppelt, ein Plus von 105 Prozent, mit den heurigen Erhöhungen werden es sogar 123 Prozent«, so Tockner.

Hohe Mietzinsreserve
Die Mietzinsreserve (Kosten der Erhaltung haben Vermieter aus der Mietzinsreserve zu zahlen) ist ebenfalls »fett«: Laut AK-Schätzungen betragen die Mietzinsreserven knapp 5,5 Milliarden Euro für rund 300.000 private Altbau-Mietwohnungen, die vor 1945 errichtet wurden und wo demnach entsprechende gesetzliche Regelungen bestehen. Zuletzt gab es aber bereits rund 745.000 private Mietwohnungen in Österreich. Das bedeutet: Mit den geschätzten Hauptmietzinsreserven lassen sich von den rund 300.000 privaten Altbaumietwohnungen sofort rund 263.000 Wohnungen thermisch sanieren (Fassade, Dämmung von oberster Geschoß- und Kellerdecke).

Eigenkapitalrentabilität wächst kontinuierlich
Die Eigenkapitalrentabilität der Immobilienbranche steigt laut Daten der Österreichischen Nationalbank mittelfristig an und liegt in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt bei fast zwölf Prozent. In dieser Statistik sind nicht nur gewerbliche Immobilienunternehmen, sondern auch die gemeinnützigen Bauvereinigungen enthalten. Letztere machen aber viel niedrigere Gewinne – weil sie strikt reguliert sind. Man kann also davon ausgehen, dass die Eigenkapitalrentabilität der Privaten sogar im Bereich von 15 Prozent liegt.

Umverteilung von unten nach oben
»Langfristig verschärfen hohe Mieten die Einkommensungleichheit – es gibt eine Umverteilung von unten nach oben«, sagt Thomas Ritt, Leiter der AK-Abteilung Kommunal und Wohnen. »Junge, Menschen mit weniger Einkommen oder Alleinerzieher etwa können sich die eigenen vier Wände nicht mehr leisten – viele schrammen schon an der Armutsgrenze.«

450 Euro Mehrkosten
Durchschnittlich zahlen Miethaushalte heuer um 450 Euro mehr im Jahr, einzelne Mietwohnungen werden sogar um bis zu 1.300 Euro im Jahr teurer, rechnet Ritt vor – und da sind die teuren Gas-, Strom-, Fernwärmepreise und andere Fixkosten noch nicht dabei. Und 2023 werden die Mieterhöhungen teils noch saftiger ausfallen.

»Diese dramatische Entwicklung muss ein Weckruf für die Regierung sein. Wohnen gehört reguliert und muss leistbar sein. Geld ist genug da. Wir wollen eine Mietpreisbremse und Sofort-Entlastung für Mieter mit Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm, die sich schnell machen lassen«, so Ritt.

Mietervereinigung und AK forderten daher auf einer gemeinsamen Pressekonferenz eine rasche Mietpreisbremse und Entlastungen für Mieter, die sich im Regierungsprogramm finden, bisher aber nicht umgesetzt wurden. Konkret:

 

Die Forderungen von Mietervereinigung und AK

Einmal-Mieterhöhung im Jahr plus Mietendeckel befristet bis zur Mietrechtsreform
Die Mieten sollen nicht öfter als einmal im Jahr erhöht werden, und die Erhöhung soll auf zwei Prozent begrenzt werden. Das soll so lange sein, bis es zu einer großen Mietrechtsreform kommt, die längst überfällig ist.

Plus: Sofort-Entlastung
»5 aus 45« Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm, die sich schnell umsetzen lassen und die Mieter entlasten.

1. Maklerprovision endlich ordentlich umsetzen + Wer anschafft, zahlt + Umgehungsmöglichkeiten streichen
»Wie für gewöhnlich bei Dienstleistungen üblich, sollen die Kosten der Maklerin bzw. des Maklers bei Vermittlung von Mietwohnungen von demjenigen übernommen werden, der den Auftrag gegeben hat.« (Regierungsprogramm Seite 43)

Mietervereinigung und AK verlangen: Das Makler-Gesetz liegt seit dem Frühjahr nach der Begutachtung in der Schublade. Es muss dringend ordentlich umgesetzt werden. Wer Makler beauftragt – in der Regel Vermieter – zahlt. Es darf keine Umgehungsmöglichkeiten geben.

2. Bundesgrundstücke für den geförderten Wohnbau
»Unternehmen, die dem Bund mehrheitlich gehören, wie ÖBB, BIG und udgl. werden angeleitet, bei Grundstücksverwertungen von Bauland geförderten Wohnbau besonders zu berücksichtigen. Grundsätzlich soll angestrebt werden, den Grundstücksbestand in der öffentlichen Hand zu behalten und an Dritte hauptsächlich per Baurecht zu vergeben.« (Regierungsprogramm Seite 41)


Mietervereinigung und AK verlangen: Grundstücke, die der Allgemeinheit gehören, sollen nur mit geförderten Wohnungen bebaut werden.

3. Wirksame Leerstandsabgabe muss her
»Die Bundesregierung möchte das Angebot an Wohnungen vergrößern und wird zu diesem Zweck gemeinsam mit den Ländern den Leerstand mobilisieren.« (Regierungsprogramm Seite 43)

Mietervereinigung und AK verlangen: Der Bund muss eine wirksame Leerstandsabgabe in einer relevanten Höhe beschließen. Oder die Länder müssen sie in einem wirksamen Ausmaß selbst einheben können. Dazu muss der Bund den Ländern mehr gesetzliche Kompetenzen geben. Denn eine höhere Abgabe, die gegen den Leerstand wirken würde, muss im sogenannten »Volkswohnungswesen« geregelt werden und da ist der Bund zuständig. Nur so hat sie Wirkung und hält verfassungsrechtlich.

4. Kurzzeitvermietungen einschränken
+ »Neben der Aufzeichnungspflicht für Plattformen soll auch eine Registrierungspflicht für alle touristischen Vermieterinnen und Vermieter eingeführt werden.«
+ »Auf Online-Buchungsplattformen dürfen nur beim Finanzministerium registrierte Unterkünfte angeboten werden.«  
+ »Prüfung der Regelung für die Begrenzung der Nutzung von privatem Wohnraum für touristische Zwecke auf maximal 90 Tage eines Jahres.« (Regierungsprogramm Seite 168)

Mietervereinigung und AK verlangen: Die Registrierungspflicht für Kurzzeitvermietende muss kommen. Nur wer beim Finanzamt registriert ist, soll ganze Wohnungen auf Airbnb oder anderen Plattformen anbieten dürfen. Ferner soll der Bund den Gemeinden ermöglichen, die Kurzzeitvermietung von Wohnungen pro Jahr nach eigenem Ermessen zeitlich zu begrenzen.

5. Reform des Mietrechts
dauert zu lange, schnell geht: Befristungen abschaffen
»Unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, Expertinnen und Experten, Ländern und Gemeinden, der Zivilgesellschaft, Kammern und Interessenvertretungen wird im Rahmen parlamentarischer Instrumente (z.B. Wohnraum-Enquete, Dialogforen) das Wohnrecht (MRG, WGG, WEG, ABGB, WBF) reformiert, damit mehr sozialer Ausgleich, ökologische Effizienz sowie mehr Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit geschaffen wird. Ziel ist es, bis Ende der Legislaturperiode koordinierte Maßnahmen zu formulieren und umzusetzen, die alle wesentlichen Regelungsbereiche behandeln.« (Regierungsprogramm Seite 42)

Mietervereinigung und AK verlangen: Ein einheitliches einfaches Mietrechtsgesetz mit wirksamen Mietobergrenzen ist dringend nötig. Aber Dialogforen & Co. werden nicht schnell genug Ergebnisse bringen.

Daher: Weg mit den befristeten Mietverträgen. Das lässt sich schnell umsetzen. Immobilienkonzerne, Versicherungen und andere große Wohnungsbesitzer sollen zukünftig nur mehr unbefristet vermieten dürfen. Privatpersonen sollen hingegen eine Wohnung befristetet vermieten dürfen.

 

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