Österreich, Politik 14.06.2023
Die Bundesregierung hat die von der Mietervereinigung geforderte Mietpreisbremse platzen lassen und präsentierte einen Wohnkostenzuschuss in Form einer Einmalzahlung. Welche Folgen das für die Mieter in Österreich hat.
Statt einer geforderten Mietpreisbremse wird es einen Wohnkostenzuschuss als Einmalzahlung geben – damit sind die Richtwertmieten mit 1. April um 8,6 Prozent gestiegen. »Die bemühten Laien-Darsteller der schwarz-grünen Koalition wollten also wieder einmal den Anschein harter Verhandlungen erwecken, um am Ende dort zu landen, wo sie am Anfang begonnen haben«, ärgert sich Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs (MVÖ) über das Begräbnis erster Klasse für die Mietpreisbremse. »Hunderttausenden Mietern wurde ein letztklassiges Schauspiel vorgesetzt, ihre Hoffnungen erst geweckt, dann enttäuscht, und schließlich begraben.«
Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 Prozent
370.000 Richtwertmiethaushalte und 150.000 Kategoriehaushalte, sowie über 400.000 Miethaushalte im ungeregelten privaten Sektor würden von der Regierung eiskalt im Stich gelassen, zeigt sich Niedermühlbichler entsetzt. Die Erhöhungen der Richtwertmieten von 8,6 Prozent haben im April voll durchschlagen, das bedeutet für einen durchschnittlichen Mieter im privaten Altbau in Wien Mehrkosten von rund 500 Euro pro Jahr. Im ungeregelten privaten Sektor sind regelmäßige Erhöhungen im Ausmaß des Verbraucherpreisindex praktisch Standard. Das bedeutet zusätzliche Belastungen von über 10 Prozent für jene Haushalte. »Das Unvermögen der Koalition ist ein Hohn für 1,8 Millionen Mieterinnen und Mieter in Österreich, auf deren Rücken die Regierung zuerst auf Zeit gespielt hat, um sich am Ende auf die Seite der Reichen zu schlagen «, kritisiert Niedermühbichler weiter. Bekanntlich landen 8 von 10 Euro, die ein Mieter hierzulande bezahlt, in den Taschen der reichsten Österreicher.
Einmaliger Wohnkostenzuschuss statt echter Mietpreisbremse
Die Lösung der Koalition ist nun die Aufstockung der Wohn- und Heizkostenzuschüsse um 225 Millionen Euro – womit vorrangig einkommensschwache Haushalte unterstützt werden sollen. »Somit soll das ›unterste Einkommensviertel‹ die Möglichkeit bekommen, um Hilfe anzusuchen. Was ist allerdings mit den Menschen der mittleren Einkommensschicht oder Menschen, die kein eigenes Einkommen haben, wie etwa Studenten? Die Reichen noch reicher zu machen, scheint das Motto der Regierung zu sein. Sie betreiben lieber Vermieterförderung als eine vernünftige Lösung zu schaffen«, sagt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien. »Darüber hinaus sind nicht nur private Mieter von der Teuerung betroffen, auch die gewerblichen Mieten steigen, was die Inflation erneut anheizen wird«, mahnte Hanel-Torsch.
Vorschläge liegen auf dem Tisch
»Unsere Vorschläge, diesem Mietenwahnsinn ein Ende zu setzen, liegen seit Monaten auf dem Tisch«, kritisiert Hanel-Torsch die Untätigkeit der Regierungsparteien. »Die Bundesregierung hat in dieser zentralen gesellschaftlichen Frage total versagt und wird die volle Verantwortung für die Folgen tragen müssen.« Es brauche dringend weitere Maßnahmen, um Wohnen in Österreich wieder leistbar zu machen.
Mietpreisbremsen in Europa
Die steigenden Mieten lassen den Verbraucherpreisindex (VPI) steigen, und der Verbraucherpreisindex treibt wiederum die Mieten nach oben. Diese Teuerungsspirale kann durch eine Mietpreisbremse gestoppt werden. Das ist möglich – viele Länder in Europa haben bereits Mietpreisbremsen eingezogen (siehe Grafik unten). In Spanien und in Portugal wurden Mieterhöhungen auf jährlich 2 Prozent gedeckelt. In Schottland gilt eine Mietbremse von 3,0 Prozent. In der Schweiz darf nur um 40 Prozent der Inflation erhöht werden. Das wären bezogen auf die Richtwerterhöhung in Österreich 3,4 Prozent. In Frankreich ist ein 3,5-Prozent-Deckel für Mieten in Kraft. In Dänemark wurden Mieterhöhungen bis 2024 mit 4 Prozent begrenzt. In Schweden verhandelt der Mieterbund jedes Jahr die Warmmieten für rund 1,6 Millionen Wohnungen: für heuer haben sich die Vermieter mit dem Mieterbund bereits auf durchschnittliche Erhöhungen von 4,2 Prozent der Warmmiete geeinigt. In den Niederlanden folgt die Mieterhöhung der durchschnittlichen Lohnerhöhung des Vorjahres. Für den freien Sektor hat die Regierung festgelegt, dass die jährliche Mieterhöhung höchstens 1 Prozent über der Lohnerhöhung liegen darf.
Weitere Teuerung: Kategoriemieten steigen mit Juli
Mit Juli werden in Österreich dann auch wieder die Kategoriemieten erhöht - um 5,51 Prozent. Und das bereits zum vierten Mal (!) innerhalb der letzten 15 Monate. Damit wird das Wohnen wieder für fast alle Mieter teurer, denn mit den Kategoriemieten steigen auch die Verwaltungshonorare in den Betriebskosten, was auf fast alle Mietverträge in Österreich Auswirkungen hat. Die jüngsten Richtwert- und Kategoriemieterhöhungen kosten die Mieter rund 200 Millionen Euro. Rund 146 Millionen Euro von diesen Mehrkosten kassieren die privaten Vermieter.
Verzögerungseffekt bei der Inflation
Da die meisten Mieten an den VPI gebunden sind, die Mieten selbst mit 5,5 Prozent ein hohes Gewicht im VPI aufweisen, wird durch die ständigen Mieterhöhungen auch die Inflationsrate in Österreich weiter angeheizt. Allerdings werden diese erst Monate später durch einen gewissen Verzögerungseffekt in der Inflation abgebildet. Somit wird die Teuerungsrate in Österreich weiter hoch bleiben, während sie in anderen Ländern Europas bereits wieder sinkt.
Mehrkosten pro Haushalt
Allein die Erhöhung der Richtwertmieten bedeuten für eine Durchschnittswohnung von ca 70 m² im Burgenland Mehrkosten von rund 444 Euro pro Jahr, in Wien von 481 Euro und in Vorarlberg – wo der Richtwertmietzins auf über 10 Euro pro Quadratmeter gestiegen ist - von 748 Euro (siehe Tabelle). Die von der Regierung beschlossene Einmalzahlung von rund 200 Euro pro anspruchsberechtigtem Haushalt – wobei hier die Vergabekriterien von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind und auch die Auszahlungshöhe von Kriterien wie Haushaltsgröße, Haushaltseinkommen usw. abhängt – ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Richtwerte* | bis 31.3.2023 | ab 1.4.2023 | Merhkosten** |
Burgenland | 5,61 € | 6,09 € | 444 € |
Kärnten | 7,20 € | 7,81 € | 566 € |
Niederösterreich | 6,31 € | 6,85 € | 501 € |
Oberösterreich | 6,66 € | 7,23 € | 529 € |
Salzburg | 8,50 € | 9,22 € | 675 € |
Steiermark | 8,49 € | 9,21 € | 667 € |
Tirol | 7,50 € | 8,14 € | 588 € |
Vorarlberg | 9,44 € | 10,25 € | 748 € |
Wien | 6,15 € | 6,67 € | 481 € |
*in Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche und Monat
** Berechnung: Mehrkosten für 70m²-Wohnung pro Jahr bei neinem Richtwert ohne Zuschläge
Besitzverhältnisse in Österreich
In Österreich ist das Vermögen im europäischen Vergleich besonders ungleich verteilt, wie eine Auswertung des Momentum Instituts vom Mai 2023 aufzeigt (siehe Grafik unten). 50,1 Prozent aller Haushalte besitzt keine Immobilien, wohnt also zur Miete, während 40,5 Prozent der Haushalte ausschließlich das Haus oder die Wohnung besitzt, in dem sie auch selbst wohnt. Nur 9,5 Prozent der Haushalte besitzt zusätzlich Immobilien, in dem sie nicht selbst lebt – 1,7 Prozent hat zumindest zwei weitere Immobilien, die nicht als Hauptwohnsitz dienen. Die Zahl der privaten Vermieter ist in Österreich demnach höchst überschaubar und im wohlhabenden Segment zu verorten; dennoch werden deren Mieteinnahmen automatisch um die volle Inflation erhöht.
Erbschaften entscheidend
Erbschaften spielen eine entscheidende Rolle, denn bei den Haushalten, die zusätzliche Immobilien besitzen, haben zwei Drittel geerbt, wie das Momentum Institut vorrechnet. Damit zeigt sich klar, dass vor allem die ärmere Hälfte der Haushalte von den steigenden Mieten betroffen ist. Seit 2014 stiegen die Mietzahlungen an private Vermieter um rund 42 Prozent.