Mieterinnen und Mieter zahlen mit den Betriebskosten für Ausgaben, die eigentlich Vermieterinnen und Vermieter tragen müssten. Eine gerechte Reform des gesetzlichen Betriebskosten-Katalogs ist überfällig: Grundsteuer, Versicherungen und Verwaltungshonorar sollen gestrichen werden. Mieterinnen und Mieter einer durchschnittlichen 70-Quadratmeter-Wohnung im privaten Sektor würden sich rund 60 Euro pro Monat ersparen.
Aktuelle Situation für Mieterinnen und Mieter
Die Mieten in Österreich sind seit der Jahrtausendwende im Schnitt um über 115 Prozent gestiegen, die allgemeine Teuerung dagegen „nur“ um 74 Prozent. Die Einkommen orientieren sich an der allgemeinen Teuerung, weshalb Mieterinnen und Mietern immer weniger Geld zum Leben übrig bleibt. Die extreme Teuerung der letzten Jahre hat die Situation für die meisten Mieterinnen und Mieter noch einmal verschärft. Die permanenten Erhöhungen der Mieten durch Kettenbefristungen oder durch sogenannte „Wertsicherungsklauseln“ wirken sich dabei nachteilig auf alle Österreicherinnen und Österreicher aus, denn: steigen die Mieten, steigt auch der Verbraucherpreisindex und damit wiederum die Mieten. Die Mietervereinigung (MVÖ) fordert seit langem, diesen Teufelskreis zu stoppen.
„Mietpreisdeckel“: Zu wenig und zu spät
Die Mahnungen der MVÖ fanden in dem „Mietpreisdeckel“ der Regierung teilweise Berücksichtigung – immerhin wurde das Problem der Wohnkosten-Explosion als solches erkannt. Der im Dezember schließlich beschlossene „Deckel“ nimmt zwar kurzfristig Dynamik aus der Situation, auf längere Sicht bringt jedoch die Umstellung von den bisherigen Systemen (Erhöhung nach 5-Prozent-Schwelle bzw. alle zwei Jahre) auf jährliche Erhöhungen eine systematische Schlechterstellung der betroffenen Mieterinnen und Mieter. Darüber hinaus fehlt für den größeren Teil des privaten Mietsektors (ungeregelte Mieten im sogenannten „Neubau“) weiterhin jegliche Regelung.
Entlastungen nötig
Es braucht weitere Entlastungen für Mieterinnen und Mieter. Dabei gilt es, nicht nur bei den Mieten selbst, sondern auch bei den Betriebskosten anzusetzen. „Wir setzen dort an, wo die Regierung stehengeblieben ist: Bei der Erkenntnis, dass die Wohnkosten zu hoch sind“, sagt Georg Niedermühlbichler, Präsident der MVÖ. „Es kann nicht sein, dass Mieterinnen und Mieter neben der Miete auch noch für Kosten aufkommen müssen, die sie gar nicht verursachen. Deshalb möchten wir einen Weg aufzeigen, der zwei Ziele miteinander verbindet: auf der einen Seite das Ziel, die Wohnkosten für Mieterinnen und Mieter zu senken und auf der anderen Seite lange bestehende und unzeitgemäße Ungerechtigkeiten zu beseitigen und damit für ein faireres Miteinander beim Thema Wohnen zu sorgen.“
Betriebskosten als „zweite Miete“
Die Betriebskosten stellen für Mieterinnen und Mieter in Österreich eine Art „zweite Miete“ dar. Betriebskosten machen im privaten Mietsektor rund 25 Prozent der Netto-Gesamtmiete aus (Statistik Austria Tabellenband Wohnen 2021). Zusätzlich zur eigentlichen Miete für die Wohnung werden im Rahmen der Betriebskosten also weitere Ausgaben auf Mieterinnen und Mieter überwälzt. Welche Kosten weiterverrechnet werden können, legt im geregelten Bereich – im Altbau sowie im geförderten Neubau – der sogenannte Betriebskostenkatalog des Mietrechtsgesetzes (MRG) fest. (Anm.: Im nicht geförderten Neubau sowie in Ein- und Zweifamilienhäusern sind die Betriebskosten Vereinbarungssache.)
Folgende Kosten sind als Betriebskosten im MRG-Vollanwendungsbereich zulässig:
• Feuer-, Haftpflicht- und Leitungswasserschadenversicherung - sowie Sturmschaden- und Glasbruchversicherung, wenn mehr als die Hälfte der Mieterinnen und Mieter zugestimmt hat
• Verwaltungshonorar
• Grundsteuer und bestimmte öffentliche Abgaben
• Wasser- und Abwasserkosten
• Wasserdichtheitsprüfung
• Eich-, Ablese- und Abrechnungskosten bei einer Verbrauchsabrechnung für Kaltwasser
• Kanalräumung
• Müllentsorgung
• Schädlingsbekämpfung
• Entrümpelung von Gegenständen, deren Eigentümerinnen oder Eigentümer nicht ermittelt werden können
• Kehrgebühren (Rauchfangkehrer)
• Strom für Beleuchtung von Stiegenhaus und anderen Allgemeinflächen (z.B. Gehwege)
• Gebäudereinigung inklusive Schneereinigung
• laufende Betriebskosten von Gemeinschaftsanlagen wie Lift, Gemeinschaftsheizung, Sauna, Waschküche, Grünanlagen etc.
Betriebskosten steigen entlang der Teuerung
Betriebskosten und die Betriebskosten-Abrechnung sind für Mieterinnen und Mieter ein wichtiges Thema: rund ein Drittel der Beratungen und auch der Verfahren der Mietervereinigung dreht sich um Betriebskosten. Die Mietervereinigung erstellt Jahr für Jahr einen Betriebskostenspiegel. Aufgrund laufender Überprüfungen für Mitglieder gewinnt die MVÖ Einblicke in die Abrechnungen und kann einen Durchschnittswert für private Mietshäuser in Wien ermitteln. Über die Jahre hat sich gezeigt, dass die Betriebskosten im Schnitt entlang der allgemeinen Teuerung gestiegen sind.
Weitere Erhöhungen stehen bevor
Es ist zu erwarten, dass sich die extreme Teuerung der Jahre 2022 (+8,6%) und 2023 (+7,8%) in den kommenden Jahresabrechnungen abbildet und die Betriebskosten kräftig ansteigen. Vor diesem Hintergrund käme eine Preisbremse jetzt zum richtigen Zeitpunkt. Ausblick: was wir jetzt schon vorhersagen können, ist die Steigerung bei den Verwaltungshonoraren, die mit dem Betrag der Kategorie A gedeckelt sind. Diese steigen von 3,60 Euro im Abrechnungsjahr 2021 auf 4,35 Euro im Abrechnungsjahr 2023. Das ist eine Steigerung von 20,8%.
Aufteilung der Betriebskosten
Der MVÖ-Betriebskostenspiegel zeigt nicht nur gesamte Durchschnittswerte, sondern auch Werte fürausgewählte
Positionen und liefert Aufschlüsse über die Zusammensetzung der Betriebskosten
Werte aus BK-Spiegel der MVÖ 2021, private Zinshäuser ohne Lift. In Häusern mit Aufzügen sind 2021 zusätzlich 3,09 €/m² an Liftkosten angefallen.
Dabei zeigt sich, dass mehr als ein Drittel der gesamten Betriebskosten auf die Positionen Grundsteuer,
Versicherung sowie Verwaltung zurückgeht.
Werte aus BK-Spiegel der MVÖ 2021
„Es ist unfair, dass Mieterinnen und Mieter mit Zahlungen belastet werden, die eigentlich Hauseigentümerinnen
und Hauseigentümer leisten müssten – dies betrifft Verwaltungshonorar, Versicherungsprämien
und Grundsteuer“, kritisiert Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der MVÖ Wien.
Die 1-2-3-Reform
Die MVÖ fordert daher, dass
1. Grundsteuer,
2. Versicherungsprämien,
3. Verwaltungshonorar
aus dem Betriebskostenkatalog entfernt werden und nicht mehr den Mieterinnen und Mietern weiterverrechnet
werden sollen. Im Detail:
Grundsteuer ohne Grund
Die Grundsteuer ist eine Steuer auf das Eigentum von Grundstücken und deren Bebauung. „Die Grundsteuer ist mit dem Eigentum verknüpft. Warum sollte Mieterinnen oder Mieter, die Wohnung und Grund nicht ihr Eigentum nennen, diese Steuer für den Eigentümerinnen oder Eigentümer bezahlen“, fragt Hanel-Torsch.
+ Die Grundsteuer für sein Eigentum soll künftig der Eigentümer/die Eigentümerin bezahlen.
Versicherungsprämien
Die Versicherungsprämien dienen dem Vermögensschutz des Vermieters/der Vermieterin. Auch hier haben die Mieterinnen und Mieter kein Mitspracherecht, was Auswahl und Umfang der Versicherung angeht. Sie haben keinen Vorteil aus Versicherungen, die das Haus versichern.
+ Versicherungsprämien sollen künftig aus der Hauptmietzinsreserve beglichen werden.
Verwaltungshonorar
Die Hausverwaltung wird vom Vermieter/der Vermieterin eingesetzt – Mieterinnen und Mieter haben kein Mitspracherecht bei der Bestellung. Die Hausverwaltung vertritt die Interessen des Eigentümers/ der Eigentümerin gegenüber den Mieterinnen und Mietern. „Es ist verfehlt, dass Mieterinnen und Mieter für die Interessenvertretung des Eigentümers/der Eigentümerin aufkommen müssen. Umgekehrt kommt ja auch nicht der Vermieter oder die Vermieterin für die Mitgliedschaft der Mieterinnen und Mieter bei einer Mieterschutzorganisation auf“, so Hanel-Torsch.
+ Für das Verwaltungshonorar soll derjenige aufkommen, der die Dienstleistung nutzt – das ist der Vermieter oder die Vermieterin.
Nachzahlung
In der Praxis kommt es des Öfteren zu der kuriosen Situation, dass Mieterinnen und Mieter, die eine Wohnung beziehen, mit einer Nachzahlung der Betriebskosten der Vormieter bzw. der Vormieterin belastet werden – sprich: die Mieterinnen und Mieter zahlen Betriebskosten für einen Zeitraum, in dem sie die Wohnung noch gar nicht angemietet hatten. Das ist rechtlich gedeckt, sorgt aber regelmäßig für großes Unverständnis der Betroffenen.
+ Hier müsste das Mietrechtsgesetz dahingehend reformiert werden, dass Zahlungen von denjenigen geleistet werden sollen, die im betreffenden Zeitraum die Wohnung auch tatsächlich genutzt haben. Das wäre mittels Stichtags-Abrechnungen möglich.
Durchschnittlich 60 Euro Ersparnis im Monat
Die 1-2-3-Reform der Betriebskosten könnte rund 1 Million Mieter-Haushalte in Österreich rasch entlasten. Mieterinnen und Mieter einer durchschnittlichen 70-Quadratmeter-Wohnung im privaten Sektor würden sich rund 60 Euro pro Monat ersparen.