Österreich, Politik 27.03.2024
Die Mietervereinigung analysiert die Auswirkungen des »Mietpreisdeckels« der Bundesregierung für Mieter im Detail. Wem nützt die Maßnahme? Wer zahlt drauf?
Im Dezember hat die österreichische Bundesregierung nach langem Hin und Her einen »Mietpreisdeckel« beschlossen. Die Mietervereinigung hatte sich zuvor monatelang vehement für eine Mietpreisbremse und eine Entlastung der Mieter eingesetzt. Dass die schwarz-grüne Regierung nun endlich gehandelt hat, ist zwar auf der einen Seite ein Schritt nach vorne – auf der anderen Seite geht man allerdings vier Schritte zurück.
Ein Schritt nach vorne, weil die Regierung mit ihrem Handeln einräumt, dass die Miethöhen in Österreich zum Problem geworden sind und es beim Wohnen politischer Eingriffe in den sogenannten »Markt« bedarf. Vier Schritte zurück, weil es sehr bedauerlich ist, dass erstens selbst nach Jahren keine Lösung für ungeregelte Mietverhältnisse getroffen wurde, und dass zweitens Kategoriemieter, drittens Richtwertmieter und viertens Genossenschaftsmieter durch die jährliche Erhöhung systematisch schlechter gestellt werden als bisher.
Die Experten der Mietervereinigung haben den Mietpreisdeckel im Detail analysiert und informieren an dieser Stelle über die Auswirkungen für Mieter.
Für welche Mieter gilt der Deckel?
Der Mietpreisdeckel gilt für Mietverhältnisse, die dem Mietrechtsgesetz unterliegen (»Altbau« oder geförderter Wohnbau). Diese Mietverhältnisse werden unterteilt in Kategorie-Mieten und Richtwert-Mieten (sowie Mietverhältnisse mit »angemessenem Mietzins « für die der Mietpreisdeckel jedoch keine Rolle spielt). Wir gehen österreichweit von rund 135.000 Haushalten mit Kategorie- Mieten und rund 376.000 Haushalten mit Richtwert-Mieten aus. Außerdem gelten Bestimmungen des Mietpreisdeckels für Genossenschaftsmieter (rund 690.000 Haushalte in Österreich).
Für welche Mieter gilt er nicht?
Für rund 425.000 Haushalte in Österreich, die ein Mietverhältnis im ungeregelten privaten Bereich (zB. im freifinanzierten »Neubau«) haben, kommt der Mietpreisdeckel nicht zur Anwendung. Für Mieter von Geschäftsräumen oder Büros gilt der Mietpreisdeckel auch nicht.
Was bringt der Deckel im Detail?
Im Folgenden haben wir jeweils für Mieter-Haushalte die Auswirkungen bis zum Jahresende 2028 analysiert, und zwar für drei Varianten. Variante 1 rechnet die bisherige Situation weiter und zeigt, was ohne politischen Eingriff Sache gewesen wäre. Variante 2 rechnet den beschlossenen Mietpreisdeckel der Regierung. Variante 3 rechnet zum Vergleich eine echte Mietpreisbremse von 2 Prozent pro Jahr, wie sie von der Mietervereinigung seit geraumer Zeit gefordert wird. Allen Beispielen liegt die aktuell veröffentlichte Inflationsprognose des WIFO bis 2028 zugrunde.
So funktioniert der Deckel
Die Bundesregierung hat einen 5-Prozent- Deckel für Mieterhöhungen eingezogen, der nur bis 2027 gilt. Danach stellen die 5 Prozent praktisch einen Deckelungs-Sockelbetrag dar, darüber hinausgehende Inflation wird zur Hälfte dazugerechnet. Bei 10 Prozent Inflation ergäbe sich so ein Plus von 7,5 Prozent.
Was bringt der Deckel bei Kategorie-Mieten?
Nachdem bisherigen System wurden die Kategoriemieten erhöht, sobald gegenüber dem Zeitpunkt der letzten Änderung ein Schwellenwert von 5 Prozent überschritten worden ist. Dies war zuletzt mit Juli 2023 der Fall. Basierend auf den WIFO-Prognosen zur Inflationsentwicklung gehen wir von Erhöhungen im Jahr 2024 und 2026 aus.
Für einen durchschnittlichen Kategorie- Mieter wird es durch den Deckel auf längere Sicht teurer statt günstiger gegenüber dem bisherigen System.
Gemäß Deckel werden diese Mieten künftig folgendermaßen erhöht:
Zusatzfalle Verwaltungshonorar
Im gesetzlichen Betriebskostenkatalog ist die Höhe des Verwaltungshonorars, das auf den Mieter überwälzt werden darf, mit dem Betrag der Kategorie A gedeckelt. Der Kategoriebetrag von derzeit € 4,47 netto darf dem Mieter pro Quadratmeter und Jahr verrechnet werden.
Durch die stärkere Steigerung der Kategoriemieten beim Mietpreisdeckel- Modell sind praktisch alle Mieter, die gesetzlich oder vertraglich an dieses Betriebskosten-Modell gebunden sind, langfristig von höheren Kosten betroffen als bisher. So steigen die Kosten pro Quadratmeter von € 4,47 heute bis Ende 2030 auf € 4,98 (System bisher). Mit dem Mietpreisdeckel- Modell sind es schon € 5,12, beim Modell der Mietpreisbremse dagegen nur € 4,94. Auch beim Verwaltungshonorar wäre das Mietpreisbremsen- Modell der Mietervereinigung für den Mieter also am günstigsten (siehe Grafik oben).
Bereits 2027 werden nach dem Mietpreisdeckel-System höhere Kategorie- Beträge als bisher wirksam sein.
Was bringt der Deckel bei Richtwert-Mieten?
Für einen durchschnittlichen Richtwert- Mieter kommt es durch den Mietpreisdeckel dank eines Einmal- Effekts (die Inflation 2023 wird nicht berücksichtigt) zu geringeren Mehrkosten als nach dem bisherigen System. Die günstigste Variante für Mieter stellt im direkten Vergleich einmal mehr die Mietpreisbremse der Mietervereinigung dar (siehe Grafik unten).
Nach der bisherigen Regelung wurden die Richtwertmieten alle zwei Jahre um das Ausmaß der Veränderung des VPI 2010 erhöht. Dies war zuletzt mit 1.4.2023 der Fall. Die nächsten Erhöhungen stünden 2025 und 2027 an, und zwar im Ausmaß von
Gemäß Mietpreisdeckel werden diese Mieten folgendermaßen erhöht:
Die Beispielrechnungen und Erhöhungszeiträume gelten für den Fall, dass vertraglich eine Wertsicherung nach Richtwert vereinbart wurde. In Fällen, in denen (in privaten Mietverträgen) eine abweichende Wertsicherung (zB. nach Verbraucherpreisindex) vereinbart wurde und seitens des Vermieters eine Erhöhung begehrt wird, raten wir zu einer Überprüfung – denn eine solche Erhöhung ist nur dann zulässig, wenn der gesetzlich zulässige Mietzins (Richtwert inkl. Zuschläge) dadurch nicht überschritten wird.
Was bringt der Deckel bei Genossenschafts-Mieten?
Bei den Genossenschafts-Mieten wird nicht die gesamte Miete (»Entgelt«) indexiert. Das Entgelt orientiert sich an den Errichtungskosten. Indexiert wird nur ein Bestandteil des gesamten Entgelts, der »Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB)«. Der EVB ist, vereinfacht gesagt, gestaffelt nach dem Alter des Gebäudes. Der EVB beträgt in den ersten fünf Jahren 0,56 € pro m2 und Monat und steigt danach mit jedem weiteren Jahr bis zum Höchstbetrag von 2,22 € pro m2 und Monat für Gebäude, die älter als 30 Jahre sind.
Eine weitere Indexierung ist gesetzlich bei der sog. »Grundmiete« vorgesehen. Sind alle Kredite für die Errichtung abbezahlt, wird die Miete auf diese Grundmiete (€ 1,95/m2 bis 31.3.2024) gesenkt. Zusätzlich zur Grundmiete wird zulässige EVB verrechnet. Aus den o.a. Gründen haben wir zwei Beispiele gerechnet. Einmal eine Mieterin in einem neuen Gebäude (hier wird praktisch nur der EVB erhöht / monatl. EVB 2023 = € 0,56/m2), einmal einen Mieter in einem Gebäude aus den 1960er-Jahren, der nur noch Grundmiete (€ 1,95/m2 bis 31.3.2024) plus den höchsten EVB (nach 30 oder mehr Jahren nach Bezug ist der Betrag gedeckelt / monatlich 2023 = € 2,22/ m2) zahlt.
Nach dem bisherigen System wurden die Grundmiete sowie der EVB alle zwei Jahre um das Ausmaß der Veränderung des VPI 2010 erhöht. Dies war zuletzt mit 1.4.2022 der Fall. Die nächsten Erhöhungen wären damit am 1.4.2024 (+17,05 Prozent) und danach 2026 (+7,2 Prozent) und 2028 (+4,75 Prozent) angestanden (siehe Grafiken).
Gemäß Mietpreisdeckel werden Grundmiete/EVB nun folgendermaßen erhöht:
Fazit
Im direkten Vergleich steigen Mieter mit einer echten Mietpreisbremse - dem Modell der Mietervereinigung – am besten aus, und zwar in allen Sektoren. Die echte Mietpreisbremse würde auch eine Regelung für den bislang ungeregelten Bereich (privater »Neubau «) vorsehen.
Der Mietpreisdeckel, den die schwarzgrüne Regierung im Dezember 2023 beschlossen hat, bringt mittelfristig für Kategorie-Mieter Nachteile – es wird für Mieter sogar teurer (!) als nach der bisherigen Regelung mit Schwellenwert. Gleiches gilt für die Mehrzahl aller Mieter – egal, ob Kategorie-, Richtwert-, Genossenschaft- oder private Neubau-Mieter - was die Betriebskosten betrifft: durch den stärkeren Anstieg des Kategorie-A-Betrags steigen die Kosten für Verwaltungshonorare stärker als nach dem bisherigen Modell. Für Richtwert-Mieter bringt der Mietpreisdeckel aufgrund eines Einmal- Effekts geringere Mehrkosten als nach der bisherigen Regelung. Für Genossenschaftsmieter steigen Teile ihrer Miete weniger stark an als nach der bisherigen Regelung.
Die Mietervereinigung fordert daher eine gründliche Überarbeitung des Mietpreisdeckels hin zu einer echten Mietpreisbremse mit einer Deckelung der Mieterhöhungen von 2 Prozent pro Jahr für alle Mietverhältnisse – unabhängig vom Gebäudealter und Vertragsdetails.