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Österreich, Politik, Wien 18.09.2024

Große MVÖ-Umfrage: Mehrheit fordert Reformen beim Wohnen

  • Umfrage: Mehrheit fordert Reformen beim Wohnen - Grafik: ajijchan/istockphoto.com

Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Mietervereinigung zeigt: 81 Prozent  wenden einen größeren Teil ihres Einkommens für die Miete auf als 2020. Die gesamten Daten und Zahlen im Überblick.

 

In den letzten drei Jahren sind die meisten Mieten in Österreich um mehr als 20 Prozent gestiegen, die Kategoriemieten gar um bis zu 24 Prozent. Eine aktuelle Umfrage von reichmann research consulting (1.008 Befragte telefonisch/online, repräsentativ für 940.000 Haushalte in Wien) im Auftrag der Mietervereinigung zeigt, dass 81 Prozent der Mieterinnen und Mieter gaben an, derzeit einen größeren Teil ihres Einkommens für die Miete ausgeben zu müssen als noch 2020. Gleichzeitig hält nur die Hälfte ihre Miethöhe für angemessen. 16 Prozent der Wiener Haushalte erwarten innerhalb der nächsten drei Monate Schwierigkeiten, ihre Wohnkosten bezahlen zu können.

 

Mehrheit von Preissteigerungen betroffen

Eine Mehrheit (57 Prozent) der Wienerinnen und Wiener ist von den Preissteigerungen beim Wohnen innerhalb der letzten drei Jahre »sehr« oder »ziemlich« betroffen. Jede/r Fünfte (21 Prozent) war »sehr« von diesen Preissteigerungen betroffen.

 

Umfrage: Preissteigerungen; Grafik: MVÖ

 

Wohnkosten sind Preistreiber

Preistreiber Nummer eins waren in den letzten vier Jahren eindeutig die Wohnkosten. 81 Prozent mussten einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Miete ausgeben, 80 Prozent zahlten mehr für Energie, 79 Prozent für Betriebskosten. Für Eigentümerinnen und Eigentümer sieht die Situation besser aus: nur jede/r Fünfte (20 Prozent) musste mehr für Kreditraten ausgeben. Neben den Wohnkosten wirken die Preissteigerungen bei Lebensmitteln (71 Prozent mussten hierfür mehr ausgeben), Bekleidung (25 Prozent) und Freizeit (34 Prozent) moderater.

 

Umfrage: Preistreiber; Grafik: MVÖ

 

Höhe der Miete bzw. Wohnkosten gerechtfertigt?

15 Prozent der Mieterinnen und Mieter halten die Höhe ihrer Miete für viel zu hoch, weitere 32 Prozent für zu hoch. Nur die Hälfte der Mieterinnen und Mieter in Wien hält ihre Miethöhe für angemessen. 2 Prozent machten keine Angaben dazu, 1 Prozent fand die Miete zu niedrig. Die Mehrheit der Eigentümerinnen und Eigentümer (56 Prozent) hält ihre Wohnkosten für angemessen, 42 Prozent empfanden diese als zu hoch. 2 Prozent machten keine Angaben dazu [siehe Grafik rechts]. Zahlungsschwierigkeiten 16 Prozent der Wiener Haushalte geben an, innerhalb der nächsten drei Monate Schwierigkeiten zu erwarten, ihre Wohnkosten bezahlen zu können. Für 81 Prozent ist das kein Thema, 3 Prozent machten dazu keine Angabe.

 

Umfrage: Aus für Befristungen; Grafik: MVÖ

 

Belastung durch Wohnkosten

Für 16 Prozent der Wienerinnen und Wiener sind ihre Wohnkosten eine große Belastung, 48 Prozent geben hier »spürbar« an, für 29 Prozent ist die Belastung gering und 6 Prozent fühlen sich gar nicht belastet.

 

Umfrage: Belastung; Grafik: MVÖ

 

Wohnungswechsel / Lock-in-Effekt

Ein Effekt des beim Wohnen vorliegenden Marktversagens ist, dass eine überwältigende Mehrheit von 85 Prozent meint, zum selben Preis keine gleichwertige Wohnung zu finden. Die hohen Mieten befeuern also den sogenannten »Lock-in-Effekt«. Dieser lässt viele Mieterinnen und Mieter in einer Wohnung bleiben, obwohl diese nicht mehr ihren Bedürfnissen entspricht – sei es, dass diese zu klein, zu groß, zu wenige oder zu viele Zimmer hat oder ein Aufzug fehlt. Die Mehrkosten (Umzug, Kaution, höhere Miete) machen darüber hinaus für viele einen eigentlich wünschenswerten Wohnungswechsel schwierig bis unmöglich.

 

Umfrage: Wohnungswechsel; Grafik: MVÖ

Das Problem am »freien Markt«

»Der sogenannte freie Markt funktioniert beim Wohnen nicht – und das weiß man schon seit über 100 Jahren. Trotzdem finden sich noch immer Leute, die behaupten, dass mehr freier Markt beim Wohnen sein müsste. Die Geschichte hat dieses Storytelling längst widerlegt «, sagt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien. »Dass es die Mietervereinigung überhaupt gibt, ist eben jenem freien Markt zu verdanken, der vor über hundert Jahren für dermaßen unhaltbare Zustände am Wiener Wohnungsmarkt gesorgt hat, dass die Mieterinnen und Mieter begannen, sich zu organisieren.«

 

Mietervereinigung Nummer 1

Heute – über 100 Jahre nach ihrer Gründung 1911 – ist die Mietervereinigung für die Wienerinnen und Wiener jene Organisation, die mit großem Abstand am häufigsten erwähnt wird, wenn es um die Frage nach der Vertretung ihrer Interessen geht. Mit 35 Prozent liegt die Mietervereinigung weit vor allen anderen Organisationen. Mehrheit für Reformen Die Expertinnen und Experten der Mietervereinigung haben eine Reihe an Vorschlägen und Forderungen erarbeitet, um Wohnen wieder leistbarer zu machen. Welche dieser wohnrechtlichen Reformen erwarten sich die Wienerinnen und Wiener von einer künftigen Bundesregierung? Für eine Reihe der Vorschläge der Mietervereinigung gibt es deutliche Mehrheiten, wie die folgenden Ergebnisse der Umfrage zeigen.

 

Umfrage: Mietervereinigung auf der 1; Grafik: MVÖ

Ein Mietrecht für alle mit echten Preisgrenzen
Derzeit ist das Mietrecht in Österreich zersplittert. Für Genossenschaftsmieter gilt das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), im profitorientierten Altbau gilt das Mietrechtsgesetz (MRG). Im sogenannten privaten „Neubau“ (errichtet nach 1945!) gilt das MRG nur zum Teil – insbesondere kommen nicht die Preisgrenzen des Richtwert-Systems zur Anwendung, was bedeutet, dass in diesem Bereich Vermieterinnen und Vermieter praktisch verlangen können, was sie wollen. Es gibt also eine Zweiklassen-Gesellschaft, was das Mietrecht betrifft. Auf der einen Seite Mieter von Genossenschaften und Gemeinden sowie Mieter im sogenannten »Altbau«, wo die Mieten zumindest theoretisch gedeckelt sind. Auf der anderen Seite Mieter im sogenannten »Neubau« – das betrifft mittlerweile 425.000 Haushalte in Österreich und damit bereits den überwiegenden Teil aller privaten Mietverhältnisse. Für die Mehrzahl der privaten Mietverhältnisse gibt es also keinen gesetzlichen Preisschutz mehr.
 
Die Mietervereinigung fordert deshalb seit geraumer Zeit ein Mietrecht für alle mit echten Preisgrenzen. 50 Prozent der Wienerinnen und Wiener wollen dies von der nächsten Bundesregierung »auf jeden Fall« umgesetzt wissen, weitere 27 Prozent »eher schon«.
 

Umfrage: Mietrecht für alle; Grafik: MVÖ

 
Aus für Befristungen
Jeder zweite Mietvertrag im privaten Sektor ist bereits befristet (50,6 Prozent der privaten Mietverträge), im Schnitt auf 4,4 Jahre. Haushalte mit einem befristeten Mietvertrag werden – wenn dieser nicht verlängert oder erneuert wird – dazu gezwungen, eine neue Wohnung zu suchen. Diese neue Wohnung kostet mit großer Wahrscheinlichkeit mehr. »Befristete Mietverträge verstärken die Schieflage beim Wohnen im privaten Sektor. Befristungen kosten Mieterinnen und Mieter viel Geld und wichtige Rechte«, erklärt Hanel-Torsch. Die Mietervereinigung fordert die Abschaffung befristeter Mietverträge. Eine Mehrheit von 55 Prozent der Wiener Bevölkerung (auch Wohnungs- und Hauseigentümer wurden befragt) unterstützt diese Forderung. Jeder dritte Haushalt will dies »auf jeden Fall« von einer zukünftigen Bundesregierung umgesetzt wissen.
 

Umfrage: Aus für Befristungen; Grafik: MVÖ

 

 

Faire Reform der Betriebskosten
Satte 70 Prozent der Befragten sind dafür, die von der Mietervereinigung zu Jahresbeginn geforderte Reform der Betriebskosten umzusetzen, wonach Grundsteuer, Versicherung und Verwaltungskosten aus dem gesetzlichen Betriebskostenkatalog gestrichen werden sollen. »Grundsteuer, Versicherung und Verwaltungshonorar sind Eigentümerinnen und Eigentümern zuzurechnen und werden nicht von Mieterinnen und Mietern verursacht. Bei der Beauftragung der Hausverwaltung oder bei der Auswahl einer Versicherung haben Mieterinnen und Mieter kein Mitspracherecht, müssen aber dafür zahlen. Das ist ungerecht und dringend reformbedürftig«, sagt Hanel-Torsch. 43 Prozent der Wienerinnen und Wiener wünschen sich »auf jeden Fall« eine Umsetzung, weitere 27 Prozent wollen dies »eher schon«.
 
Umfrage: Betriebskosten; Grafik: MVÖ

 

Keine Indexierung der Gesamtmiete
In drei Jahren sind die meisten Mieten in Österreich um mehr als 20 Prozent gestiegen, die Kategoriemieten gar um bis zu 24 Prozent. Der Grund: In fast allen privaten Mietverträgen ist eine sogenannte »Wertsicherungsklausel« vereinbart, wodurch die Gesamtmiete (inklusive Zusatzkosten wie beispielsweise eine Möbelmiete) immer wieder um die gesamte Inflation erhöht wird. Nur ein kleiner Teil des Mietzinses wird jedoch tatsächlich für Instandhaltungen und Reparaturen aufgewendet. Die Mietervereinigung schlägt vor, nur diesen Teil an die Preisentwicklung zu koppeln. 48 Prozent der Wiener unterstützen diesen Vorschlag »auf jeden Fall«, weitere 25 Prozent »eher schon“. Insgesamt bewerten also 73 Prozent diesen Vorschlag positiv.

 

Umfrage: Indexierung; Grafik: MVÖ

 

 

Strafen bei überhöhter Miete
Im sogenannten »Altbau« (vereinfacht gesagt errichtet vor 1945) gelten im privaten Sektor die löchrigen Preisgrenzen des Richtwert-Systems. Trotzdem werden auch in diesen »Altbauten« Wohnungen zu überhöhten Mieten vermietet. Die Mietervereinigung lässt eine Vielzahl dieser Mieten überprüfen. Wird von Schlichtungsstelle oder Gericht in einem Verfahren festgestellt, dass der gesetzlich höchstzulässige Mietzins für eine konkrete Wohnung überschritten wurde, dann muss der/die Vermieter/in den zu Unrecht kassierten Betrag dem/der Mieter/in zurückerstatten. Weitere Konsequenzen gibt es nicht – daher kommt es vor, dass die gleiche Wohnung danach erneut überhöht vermietet wird. Setzt sich der/die Mieter/ in – aus Unkenntnis oder Furcht vor Scherereien – nicht von sich aus zur Wehr und lässt die Miete überprüfen, bleibt der Rechtsbruch ungeahndet.
 
Die Mietervereinigung fordert daher Strafen für Vermieterinnen und Vermieter, die sich wiederholt nicht an die geltenden Gesetze halten. Zwei von drei Wienerinnen und Wienern sehen dies ebenso und wären »auf jeden Fall« dafür, weitere 21 Prozent »eher schon« – ergibt insgesamt eine Zustimmung von 88 Prozent.
 

Umfrage: Strafen für Vermieter; Grafik: MVÖ

CO2-Steuer
Mitten in der Teuerungskrise, im Juli 2022, als Mieten und Energiepreise durch die Decke gingen, hat die Bundesregierung mit der CO2-Steuer Mieterinnen und Mieter zusätzlich belastet. Die CO2-Steuer bleibt ohne Lenkungseffekt, denn: Mieterinnen und Mieter haben keine Möglichkeit, das Heizsystem in einem Mehrparteienhaus zu ändern. »Es ist ungerecht und klimapolitisch verfehlt, dass der CO2-Preis für den Betrieb dieser Heizungen den Mieterinnen und Mietern aufgebürdet wird«, sagt Hanel-Torsch. Die Forderung der Mietervereinigung lautet daher: Die CO2- Steuer soll derjenige zahlen, der die Heizform – und damit den CO2-Ausstoß – bestimmt. 47 Prozent der Wienerinnen und Wiener stimmen dieser Forderung »auf jeden Fall« zu, weitere 24 Prozent »eher schon«. In Summe stehen damit 71 Prozent dem Vorschlag der Mietervereinigung positiv gegenüber.
 
Mitspracherecht bei der Heizform
In den kommenden Jahren muss in den meisten Mietwohnungen die Heizform geändert werden. Allein in Wien sind heute rund 474.000 Wohnungen mit dezentralen Gasheizungen ausgestattet. Diese Heizungen müssen bis 2040 umgestellt werden. Stand heute haben Mieterinnen und Mieter kein Mitspracherecht, was ihre künftige Heizform und den Termin der Umstellung betrifft. Das darf aus Sicht der Mietervereinigung nicht so bleiben. »Mieter brauchen durchsetzbare Rechte bei der Heizungsumstellung«, fordert Hanel-Torsch. Die überwältigende Mehrheit der Haushalte in Wien sieht das genau so: 85 Prozent wünschen sich ein Mitspracherecht hinsichtlich der künftigen Heizform sowie Termin und Umfang der Umbauarbeiten.
 

Umfrage: Heizform; Grafik: MVÖ

 
Deutliche Mehrheiten für Reformen
Welche dieser wohnrechtlichen Reformen erwarten sich die Wienerinnen und Wiener von einer künftigen Bundesregierung? 55 Prozent stehen einer Abschaffung befristeter Mietverträge positiv gegenüber. 77 Prozent wollen »auf jeden Fall« oder »eher schon« ein Mietrecht für alle mit echten Preisgrenzen. Für 70 Prozent wäre eine Reform der Betriebskosten wünschenswert. Dass statt der gesamten Miete nur noch ein Teil indexiert wird, ist für 73 Prozent umzusetzen. Strafen für Vermieterinnen und Vermieter, die wiederholt überhöhte Mieten verlangen, finden gar eine Zustimmung von 88 Prozent. »Eine künftige Bundesregierung muss das Thema leistbares Wohnen ganz oben auf die Agenda setzen und längst überfällige Reformen in Angriff nehmen. Für eine Reihe unserer Vorschläge gibt es deutliche Mehrheiten. Nun ist die Politik gefordert, die Erwartungen der Bevölkerung zu respektieren und dementsprechend zu handeln«, sagt Hanel-Torsch.

 

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