Österreich, Recht, Rechtsprechung 03.02.2016
Mit Jahresbeginn 2015 hat das Parlament jedem Staatsbürger die Möglichkeit eröffnet, Gesetze, die aus Sicht des Betroffenen verfassungswidrig sind, beim Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen.
Damit derartige Verfassungsbeschwerden im Wohnrecht nicht möglich sind, wurde dafür ein eigenes Gesetz erlassen. Doch einem Hauseigentümer erschien dieser Ausschluss unzulässig und so bekämpfte er im Zuge einer Mietzinsüberprüfung bei Gericht das betreffende Gesetz beim Verfassungsgerichtshof.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) gab dem Vermieter Recht und hob das „Bekämpfungsverbot“ im Mietrecht Mitte Oktober 2015 auf. In der Sache selbst verlor der Hauseigentümer allerdings, da seine Verfassungsbeschwerde zu ungenau formuliert war.
Das bedeutet aber nun, dass jeder Mieter aber auch jeder Vermieter Regelungen im Mietrechtsgesetz als verfassungswidrig einstufen und den Weg Richtung Verfassungsgerichtshof einschlagen kann. Einige Vermieter haben dies auch schon getan und bekämpfen die Mietzinsbestimmungen des MRG sowie die Berechnung des Lagezuschlags in sogenannten Gründerzeitvierteln. Dort darf man nämlich keinen Zuschlag für die Lage vorlangen, was die Vermieter nicht akzeptieren wollen.
Für die Mieter ist diese neue Möglichkeit aber ebenso eine Chance mehr Gerechtigkeit ins Mietrecht zu bringen. Die Mietervereinigung hat daher beschlossen zwei Musterverfahren zu führen.In beiden Fällen geht es um den Anwendungsbereich.
Derzeit bestimmten historische Stichtage, ob eine Wohnung ins Mietrecht fällt oder nicht. Daher sind zB Eigentumswohnungen, die nach dem 8.5.1945 durch eine Baubewilligung errichtet wurden, nur im sogenannten Teilanwendungsbereich des MRG geregelt. Es gibt hier keinen Preisschutz, Ablösen können verlangt werden, die Betriebskosten sind ungeregelt und wer Schäden erhalten muss hängt vom Inhalt des Mietvertrages ab. Derartige Verträge sind meist sehr mieterfeindlich formuliert dh. Die Mieter tragen alle Lasten, der Vermieter möchte am liebsten sich um gar nichts kümmern, außer die monatliche Miete entgegen zu nehmen.
Wenn die gleiche Wohnung mit einer Baubewilligung am 7.5.1945 errichtet worden wäre, sähe die Rechtslage ganz anders aus. Dann wäre der Mietzins einerseits überprüfbar und die maximale Höhe auch begrenzt. Ablösen wären verboten und die Betriebskostenverrechnung gesetzlich genau geregelt. Auch die Erhaltungspflichten wären relativ klar zwischen Mieter und Vermieter gesetzlich geregelt. Der Mieter könnte die mangelnde Erhaltungspflicht bei der Schlichtungsstelle bzw beim Gericht geltend machen und sogar bis zur Zwangsverwaltung gehen.
Da es für eine so große rechtliche Unterscheidung dieser beiden Rechtslagen keinen wirklich sachlichen Grund gibt, schätzt die MVÖ die Chancen gut ein, dass diese Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird, sodass dann alle Eigentumswohnungen dem Mietrechtsgesetz unterliegen.
Der zweite Fall ist ähnlich gelagert. Stellen Sie sich ein Haus vor, das 1930 errichtet wurde. Sämtliche Wohnungen unterliegen daher dem Mietrechtsgesetz. Nun wird im Jahr 2016 der Dachboden ausgebaut. Diese Wohnungen waren bis 2001 ebenfalls Mietrechtswohnungen. Dann hat der Nationalrat unter der Regierungsära Schüssel gemeinsam mit der FPÖ beschlossen, dass diese Dachgeschoßwohnung nun plötzlich nicht mehr dem Mietrechtsgesetz unterliegen sollen. Seither sind alle neugebauten Dachgeschoßwohnungen so zu behandeln wie die ob erwähnte Eigentumswohnung, die nach dem 8.5.1945 errichtet wurde.
Sachliche Begründung für den Unterschied? – Gibt es eigentlich nicht.
Und immer wenn es für gleichartige Sachverhalte keine sachliche Begründung gibt, liegt eine Verfassungswidrigkeit vor, denn unsere Verfassung geht vom Gleichheitsgebot aus. Die Mietervereinigung rechnet daher damit, dass auch diese Bestimmung vom VfGH aufgehoben werden wird.
Wir halten Sie von den weiteren Entwicklungen am Laufenden.