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Österreich, Service, Wien 19.03.2019

Kostenfalle im Altbau: Mietervereinigung hilft

  • Altbau; Foto: Terroa/istockphoto.com

Ein Mieter sollte bei einer Firma, von der er zuvor noch nie gehört hatte, plötzlich einen Zahlungsrückstand haben – und einen Vertrag unterschreiben, der ihn zur Zahlung von monatlich 32,78 Euro für »Kaltwasser« verpflichten würde.
Die Experten der Mietervereinigung konnten helfen.

 

Seit vielen Jahren wohnt Alexander Böhm (Name von der Red. geändert, Anm.) als Hauptmieter in einem Gründerzeit-Altbau in Wien-Hernals. Das Haus wechselte in den letzten Jahren mehrmals den Besitzer. Nach einer Generalsanierung im Jahr 2017 wurden die freien Wohnungen im Eigentum verkauft. Derzeit wohnen neben Böhm nur noch zwei weitere Altmieter im Haus.

Kurz vor Ende September 2018 erhielt Böhm ein Schreiben eines Ablese-Unternehmens. Dort hieß es: »Ihre Hausverwaltung hat uns mit der Abwicklung der Wärmelieferung und Abrechnung der Wärmekosten in Ihrem Wohnhaus beauftragt.«
Man überreiche daher »in der Beilage den mit Ihrer Hausverwaltung abgestimmten Einzelwärmelieferungsvertrag in 2-facher Ausfertigung« und bitte um Rücksendung eines unterfertigten Exemplars.

Auf dem letzten Blatt des Schreibens fand sich schließlich »Ihre neue Vorschreibung« mit der Position »Kaltwasser« und einem tabellarischen »Kontoauszug«. Darin wird Böhm ein Betrag von monatlich 32,78 Euro verrechnet. Zwar ist das Schreiben mit 17. September datiert, kassieren will das Ablese-Unternehmen allerdings rückwirkend mit 1. Juni. Der abgedruckten Tabelle zufolge hätte der Mieter daher bereits einen »Rückstand« von vier Monaten, insgesamt also 131,12 Euro.

Weil die Betriebskosten (zu denen im Regelfall auch Wasser zählt) den Mietern bislang immer nach Nutzfläche abgerechnet wurden, fragte Böhm bei der Hausverwaltung nach. Dies brachte jedoch keine Klärung – im Gegenteil: die Hausverwaltung schickte neue Vorschreibungen, worin sich zusätzlich zu den Betriebskosten auch die Position »Kaltwasser« in der Höhe von 32,78 Euro befand.


Böhm nahm Kontakt zu den beiden weiteren verbliebenen Mietern auf. Auch sie hatten zuvor ähnliche Schreiben erhalten. Einer hatte den Vertrag bereits unterschrieben – aus Angst vor einer Sperrung der Wasserversorgung durch das Ablese-Unternehmen, auf deren Möglichkeit in Punkt 10 des Vertrages recht deutlich hingewiesen wird.

Gemeinsam mit dem dritten Mieter wandte sich Böhm an die Mietervereinigung. Dort übernahm Jurist Oliver Ruetz den Fall. Vom Mietrechtsgesetz her sei die Lage eindeutig, sagt Ruetz. »In einem Altbau sind die Betriebskosten zwingend nach Nutzfläche abzurechnen, außer es gibt davon abweichende, schriftliche Vereinbarungen«, erklärt der Jurist. Eine Abweichung von der Nutzflächen-Abrechnung sei für einzelne Aufwendungen des Hauses nur bei Vorliegen einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Vermieter und einer Mehrheit von zwei Drittel der Mieter – berechnet nach Mietgegenständen, nicht nach Nutzflächen – möglich. »Eine solche Vereinbarung liegt hier nicht vor, da die beiden Mieter nichts unterschrieben haben.«

In einem Schreiben an die zuständige Hausverwaltung ersuchte der Jurist um Klärung, auf welcher Rechtsgrundlage die Änderung der Betriebskosten-Abrechnung erfolgt sei. Eine schriftliche Antwort der Hausverwaltung blieb zwar aus, das Einschreiten der Mietervereinigung zeigte jedoch Wirkung: Seit Jänner 2019 ist die zwischenzeitlich zusätzlich zu den Betriebskosten verrechnete Position »Kaltwasser« in den Vorschreibungen der Mieter wieder verschwunden, wie Böhm bestätigt.

Mietern, denen es ähnlich ergeht, rät er: »Leisten Sie keine voreiligen Unterschriften und wenden Sie sich an die Mietervereinigung.«


»Wenn der Eigentümer ohne vertragliche Regelung die Betriebskosten-Abrechnung umstellt, sollten Mieter möglichst rasch eine Beratung bei uns in Anspruch nehmen«, sagt Ruetz. Im konkreten Fall warte man nun auf die Betriebskosten-Abrechnung, die spätestens bis Ende Juni gelegt werden muss, um gegebenenfalls weitere Schritte einzuleiten.

 

Info: Abrechnung der Betriebskosten

Bei der Abrechnung der Betriebskosten im Vollanwendungsbereich des  Mietrechtsgesetzes (MRG) gilt grundsätzlich, dass eine Verteilung nach Nutzflächen erfolgt. Die Betriebskosten (Wasser, Müll, Reinigung, etc.) werden in der Regel jeweils für das gesamte Gebäude verrechnet. Es gibt also nur Gesamtrechnungen.
Als einzelner Mieter bezahlt man daran einen prozentualen Anteil, abhängig von der Größe der eigenen Wohnung. Zur Berechnung werden die Bodenflächen aller vermietbaren Wohnungen und Geschäftslokale zusammengezählt und so der eigene Prozentsatz an der Gesamtnutzfläche errechnet.


Ein Beispiel: Ein Mieter, der in einem Haus mit einer Gesamtnutzfläche von 1.000 m²
eine Wohnung von 100 m² bewohnt, hat einen Betriebskostenanteil von 10 %.


Abweichungen von der Aufteilung nach Nutzflächen sind nur bei Vorliegen einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Vermieter und einer Zweidrittel-Mehrheit der Mieter zulässig.  Befinden sich in einem Haus also beispielsweise 10 Mieter, dann müssen mindestens 7 der Änderung schriftlich zustimmen.

 

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