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Europa, Rechtsprechung 14.12.2020

EuGH: Grundsatzurteil in Sachen Kurzzeitvermietung

  • EuGH; Foto: Gerichtshof der Europäischen Union

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass EU-Staaten die Kurzzeitvermietung mit nationalen Regelungen einschränken dürfen. Fair Wohnen sprach mit Barbara Steenbergen vom Büro des Internationalen Mieterbundes in Brüssel über das Urteil und seine Folgen.

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 22. September entschieden, dass EU-Staaten die Kurzzeitvermietung (über Plattformen wie Airbnb) mit nationalen Regelungen einschränken dürfen.

Damit erklärten die obersten EU-Richter eine französische Regelung für zulässig, wonach die regelmäßige Kurzzeitvermietung einer Wohnung an Personen, die sich nur vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, von einer Genehmigung der örtlichen Behörden abhängig ist. Eine solche Regelung verstoße nicht gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie 2006/123, denn die Bekämpfung des Mangels an Wohnungen, die längerfristig vermietet werden, stelle einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, so der EuGH.

»Präzedenzurteil«
Wie ist diese Entscheidung einzuschätzen? Welche Bedeutung hat das Urteil für Gemeinden hierzulande? Fair Wohnen fragte bei Barbara Steenbergen, Leiterin des EU-Büros des internationalen Mieterbundes IUT, nach: »Ich schätze die EuGH-Entscheidung als Präzedenzurteil ein. Diese Einschätzung wird meines Erachtens auch von der Stadt Paris geteilt. Direkt nach dem Urteil schickte mir ein juristischer Berater der regierenden Bürgermeisterin Anne Hidalgo, mit deren Kabinett wir in Kontakt stehen, eine Nachricht mit dem Text: ›Wir haben die Schlacht gewonnen‹«, erzählt Steenbergen.

»Zum ersten Mal gibt es im Urteil des EuGH, in dem das Allgemeininteresse der Zurverfügungstellung von bezahlbarem Wohnraum gegenüber dem Geschäftsinteresse der Einnahmenmaximierung durch kurzzeitige Vermietung überwiegt. Das ist auch aus einer langfristigen Perspektive heraus sehr interessant, weil die EU-Kommission den Wettbewerb im Binnenmarkt und den reibungslosen Güterverkehr überwacht und befördert und der EuGH der Kommission in der Wettbewerbsorientierung bislang gefolgt ist. Daher ist es diesmal bemerkenswert, dass das Allgemeininteresse gegenüber dem Privatinteresse höher gewichtet wird. Aus unserer Sicht ist das ein Grundsatzurteil, auf das sich andere Städte beziehen sollten, wenn sie entsprechende Einschränkungen für die Kurzzeitvermietung umsetzen und mit Bußgeldern verschärfen.«

Allgemeininteresse überwiegt
Die Expertin warnt jedoch vor zu raschen Schlüssen. »Airbnb versucht jetzt abzuwiegeln und sagt: weil es im konkreten Fall in Paris um die Zweitwohnung eines Ehepaars gegangen ist, beziehe sich die Regelung auf Zweitwohnungen und nicht auf Hauptwohnsitze. Das bedeutet: wir sind ein gutes Stück in die richtige Richtung gekommen, doch müssen die Einzelfälle genau prüfen. Grundsätzlich überwiegt aber natürlich das Allgemeininteresse und von daher kann sich eine Stadt auf dieses Urteil berufen und sagen: es liegt im allgemeinen Interesse, bezahlbaren Wohnraum zu haben; daher schränken wir Airbnb und sonstige Kurzzeitvermietungen ein.«

 

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