Die Regierung muss die Teuerungsspirale bei Mieten stoppen und die Erhöhungen bei Kategorie-, Richtwert- und freien Mieten eindämmen. Doch erst als die Zeit drängte, wurde verhandelt.
Monatelang hatte die Mietervereinigung (MVÖ) Druck gemacht, um eine Mietpreisbremse zu erreichen. Einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Thema mit der Arbeiterkammer (AK) am 7. Februar folgte intensive Medienarbeit und am 22. Februar eine weitere gemeinsame Pressekonferenz, diesmal mit der SPÖ.
Die Regierung musste nun handeln; bis zur ersten Märzwoche musste eine Lösung her, sonst ließe sich die Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 Prozent mit April nicht mehr stoppen. Ende Februar spitzte sich die Lage schließlich zu. Ein von der SPÖ eingebrachter Antrag im Bautenausschuss des Parlaments, die Erhöhung der Mieten bis 2025 auszusetzen und ab 2026 mit 2 Prozent pro Jahr zu deckeln, wurde am 23. Februar mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und Grüne blockiert – mit dem Argument, dass in der Koalition über eine Lösung verhandelt werde.
Nur einen Tag darauf, am 24. Februar, brachte die SPÖ im Nationalrat erneut einen Mietenstopp-Antrag ein, der von der FPÖ unterstützt, von ÖVP, Grünen und NEOS jedoch postwendend abgelehnt wurde.
ÖVP blockiert
Die ÖVP ihrerseits blockierte bis zuletzt einen Minimalkompromiss der Regierung – bei Redaktionsschluss für diese Ausgabe von Fair Wohnen stand nicht fest, ob, und wenn, in welcher Form die Mietpreisbremse doch noch kommen wird. »Es ist nicht zu fassen, dass die ÖVP auf Kosten der Mieter in Österreich bis zuletzt eiskalt um Klientelpolitik pokert«, verurteilte Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs (MVÖ) die Verhandlungstaktik jener Partei, eine – längst überfällige – Einigung für hunderttausende Mieter in letzter Minute von weiteren Steuergeschenken (Grunderwerbsteuerbefreiung) für ein paar Reiche abhängig zu machen.
Mietpreisbremse überfällig
Die unablässigen Mieterhöhungen haben zusammen mit explodierenden Energiepreisen und verteuerten Lebensmitteln viele Menschen in finanzielle Not gebracht. »Dass die Mieten wirksam begrenzt werden können, zeigen zahlreiche Länder in Europa vor. Es gibt Beispiele, nach denen man handeln könnte. Es kann doch nicht sein, dass unsere Bundesregierung tatsächlich nicht in der Lage ist, die exorbitanten Mieterhöhungen zu stoppen«, sagte Niedermühlbichler und appellierte an die Regierung: »Hören Sie auf zu Pokern, übernehmen Sie Verantwortung und handeln Sie endlich im Sinne der Menschen in diesem Land.« Die Situation ist für viele Mieter schon jetzt dramatisch. »Die Nachfrage nach unseren Beratungen rund um die Mieterhöhungen ist enorm, unsere Termine reichen bereits bis weit in den April hinein. Viele haben keinen finanziellen Spielraum mehr und befürchten, dass sie sich ihre Wohnung nach der nächsten Mieterhöhung nicht mehr leisten können«, erklärte Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien.
»Die Frage, die uns am häufigsten gestellt wird: warum tut die Regierung nichts dagegen?« In der Mitte der Gesellschaft staue sich eine immer größere Menge an Unverständnis auf. »So kann es nicht weitergehen. Die Regierung muss handeln und die permanenten Mieterhöhungen eindämmen«, forderte die Wohnrechtsexpertin.
Jeder Dritte rechnet mit Zahlungsproblemen
37 von 100 Mietern im privaten Segment rechneten schon vor den nun ins Haus stehenden kräftigen Erhöhungen mit baldigen Zahlungsschwierigkeiten, weiß man bei der Arbeiterkammer (AK). »Auf der anderen Seite sprudeln die Einnahmen bei der Immobranche – allein die heurigen Erhöhungen der Richtwert- und Kategoriemieten würden ihnen erneut einen dreistelligen Millionenbetrag in ihre Kassen schwemmen. Sozialpolitische Maßnahmen und Wohnhilfsangebote sind wichtig und gut, aber es braucht eine spürbare Wohnpolitik«, sagte Thomas Ritt, Leiter Abteilung Kommunal und Wohnen bei der AK. Die Richtwert- und Kategoriemieterhöhungen sowie Verwaltungskosten belasten die betroffenen rund zwei Millionen österreichischen Mieter insgesamt mit rund 200 Millionen Euro. Davon entfällt mit rund 146 Millionen Euro der Löwenanteil auf Mieter im privaten Segement. »Das ist eine extreme Schieflage, weil die Mieteinnahmen der Immobilienbranche viel dynamischer als die Wirtschaft wachsen«, analysiert Ritt.
Richtwertmieten: Steigerung um 8,6 Prozent droht
Wenn nichts geschieht, dann werden mit April die Richtwertmieten für rund 376.000 Haushalte um 8,6 Prozent erhöht. Weil der Richtwert von Bundesland zu Bundesland verschieden ist, unterscheiden sich auch die Mehrkosten für eine durchschnittliche 70-Quadratmeter- Wohnung. »In Wien werden Mieter durch die Erhöhung pro Jahr rund 480 Euro mehr Miete zahlen müssen, in der Steiermark rund 670 Euro und in Vorarlberg – wo der Richtwert am höchsten ist - rund 750 Euro«, rechnet Hanel-Torsch.
Kategoriemieten werden im Sommer erhöht
Nachdem die Inflation vielen Prognosen zum Trotz zu Beginn des Jahres weiter zweistellig bleibt, werden auch die rund 135.000 Haushalte, die Kategoriemieten zahlen, in ganz Österreich schon im Sommer wieder zur Kasse gebeten.
AK-Berechnungen zufolge ist im Sommer (abhängig vom Erreichen des Schwellenwerts entweder im Juni, Juli oder August) mit der nächsten Erhöhung der Kategoriemieten um mehr als 5 Prozent zu rechnen. Für einen durchschnittlichen Haushalt mit Kategoriemiete bringt das Mehrkosten von rund 190 Euro pro Jahr. Dazu kommt: Steigen die Kategoriemieten, dann steigen für den Großteil aller Mieter die Betriebskosten – denn: die Verwaltungshonorare, die dem Mieter mit den Betriebskosten verrechnet werden, sind mit dem Betrag der Kategorie A gedeckelt. Ein Plus von 5 Prozent bei Kategorie A bedeutet also auch ein Plus von 5 Prozent bei den Verwaltungshonoraren.
»Freie Mieten«
Richtwert- und Kategoriemieten bilden nur einen Teil des privaten Wohnungsmarkts ab, mehr als die Hälfte aller privaten Mietwohnungen unterliegen dem Mietrechtsgesetz nur zum Teil und haben keine Preisgrenzen. Bei diesen »freien Mieten« gelte die Vereinbarung im Mietvertrag – und in praktisch allen Verträgen, die der Mietervereinigung vorgelegt werden, sei der Mietzins mit dem Verbraucherpreisindex verknüpft, erklärt Hanel- Torsch. »Hier gab es zuletzt verbreitet jährliche Erhöhungen um mehr als 10 Prozent.«
Mietpreisbremsen in Europa
Die steigenden Mieten lassen den Verbraucherpreisindex steigen, und der Verbraucherpreisindex treibt wiederum die Mieten nach oben. Diese Teuerungsspirale kann durch eine Mietpreisbremse gestoppt werden. Das ist möglich – viele Länder in Europa haben bereits Mietpreisbremsen eingezogen. In Schottland wurden die Mieten praktisch eingefroren. In Spanien und in Portugal wurden Mieterhöhungen auf jährlich 2 Prozent gedeckelt. In der Schweiz darf nur um 40 Prozent der Inflation erhöht werden. Das wären bezogen auf die nun in Österreich anstehende Richtwerterhöhung 3,4 Prozent. In Frankreich ist ein 3,5-Prozent- Deckel für Mieten in Kraft. In Dänemark wurden Mieterhöhungen bis 2024 mit 4 Prozent begrenzt. In Schweden verhandelt der Mieterbund jedes Jahr die Warmmieten für rund 1,6 Millionen Wohnungen: große Wohnungskonzerne haben sich für heuer mit dem Mieterbund bereits auf durchschnittliche Erhöhungen von 2,5 bis 4,5 Prozent der Warmmiete geeinigt. In den Niederlanden folgt die Mieterhöhung der durchschnittlichen Lohnerhöhung des Vorjahres. Für den freien Sektor hat die Regierung festgelegt, dass die jährliche Mieterhöhung höchstens 1 Prozent über der Lohnerhöhung liegen darf.
Grafik: Mietpreis-Steigerungen in Prozent pro Jahrin ausgewählten europäischen Ländern, Stand: Februar 2023.
*In Schweden gilt ein Warmmieten-Modell.
**Die Steigerung für die Schweiz wurde - zum Vergleich - mit der Inflationsrate Österreichs gerechnet.
Im Jahr 2022 gab es eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 3,1 Prozent. Daher darf sich die Miete um maximal 4,1 Prozent erhöhen.
Mietpreisbremse in Österreich
»Eine Mietpreisbremse wäre auch in Österreich rasch umsetzbar «, erklärt Hanel-Torsch. Das ist der gemeinsame Vorschlag von MVÖ und AK: Die Mieten sollen nicht öfter als einmal im Jahr erhöht werden, und die Erhöhung soll auf zwei Prozent begrenzt werden. Das soll für Richtwert-, Kategoriemieten und freie Mieten, bei denen Erhöhungen vertraglich geregelt sind, gelten – so lange, bis es zu einer großen Mietrechtsreform kommt, die längst überfällig ist.
Faires Mietrecht
»Wir brauchen endlich ein faires Mietrecht für alle, mit echten Preisgrenzen. Die Befristungen müssen weg, die Betriebskosten gerechter aufgeteilt werden«, sagt Hanel-Torsch. Allein Verwaltungshonorare und Versicherungsprämien machen mehr als ein Drittel der gesetzlichen Betriebskosten aus. Diese Kosten dürfen den Mietern laut dem gesetzlichen Betriebskostenkatalog weiterverrechnet werden, obwohl sie von diesen nicht verursacht werden. Die Mietervereinigung fordert eine Streichung von Verwaltungshonoraren und Versicherungsprämien aus dem Betriebskostenkatalog. Das würde Mieter einer durchschnittlichen 70m2-Wohnung auf einen Schlag monatlich um 60 Euro entlasten.
Ins Tun kommen
Gemeinsam mit der AK fordert die MVÖ darüber hinaus die rasche Umsetzung von Maßnahmen, die sich seit Anfang 2020 im Regierungsprogramm finden.
1) Maklerprovision
Das Makler-Gesetz ist beschlossen und gilt ab Juli. Wer Makler beauftragt – in der Regel Vermieter – zahlt. Es gibt aber noch Hintertüren, die auch weiterhin dazu führen, dass Mieter die Kosten umgehängt bekommen. Wir fordern ein echtes
Bestellerprinzip wie in Deutschland und werden genau beobachten, was die aktuelle Regelung ab Juli wirklich bringt.
2) Bundesgrundstücke für den geförderten Wohnbau
Grundstücke, die der Allgemeinheit gehören, sollen nur mit geförderten Wohnungen bebaut werden.
3) Leerstandsabgabe
Der Bund muss eine wirksame Leerstandsabgabe in einer relevanten Höhe beschließen. Oder die Länder müssen sie in einem wirksamen Ausmaß selbst einheben können. Dazu muss der Bund den Ländern mehr gesetzliche Kompetenzen geben. Denn eine höhere Abgabe, die gegen den Leerstand wirken würde, muss im sogenannten »Volkswohnungswesen« geregelt werden und da ist der Bund zuständig. Nur so hat sie Wirkung und hält verfassungsrechtlich.
4) Kurzzeitvermietungen einschränken
Die Registrierungspflicht für Kurzzeitvermieter muss kommen. Nur wer beim Finanzamt registriert ist, soll ganze Wohnungen auf Plattformen anbieten dürfen. Ferner soll der Bund den Gemeinden ermöglichen, die Kurzzeitvermietung von Wohnungen pro Jahr nach eigenem Ermessen zeitlich zu begrenzen.
5) Befristungen abschaffen
Immobilienkonzerne, Versicherungen und andere große Wohnungsbesitzer sollen zukünftig nur mehr unbefristet vermieten dürfen. Privatpersonen sollen hingegen eine Wohnung befristetet vermieten dürfen. Immerhin sind drei von vier neuen Mietverträgen im privaten Segment nur mehr befristet. Deshalb: Weg mit befristeten Mietverträgen.