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Europa, International, Politik 02.11.2023

Mieterschützer Europas: So muss sich die EU-Politik jetzt ändern

  • IUT-Treffen in Delft 2023; Foto: IUT

Erklärung von Delft vom 27. Oktober 2023: „Prioritäten der Internationalen Mieterunion (IUT) für das nächste Europäische Parlament (2024-2029)“

 

Die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament stellen die Menschen in Europa vor eine entscheidende Wahl. Sie können sich für ein geeintes, offenes und friedliches Europa entscheiden, das sich durch Fortschritt für alle auszeichnet und im Geist der Solidarität verwurzelt ist. Überall in Europa sind Mieter und Wohnungssuchende von der Wohnungskrise betroffen. Ein Drittel der europäischen Bürger leben in Mietwohnungen, dies sind 150 Millionen Menschen. Die Mieten sind unerschwinglich, und die Energiekosten in häufig schlecht isolierten Wohnungen sind in die Höhe geschnellt. Viele Menschen leben in lähmender Ungewissheit, weil sie keine Mieterrechte haben, während andere darum kämpfen, eine Wohnung zu finden, die sie ihr Zuhause nennen können.

 

1) Sicherstellung von Wohnraum als Grundrecht

Wohnen ist ein Grundrecht, das in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist. Die Wohnungskrise ist keine Naturgewalt, sondern die Folge von unzureichendem politischem Handeln auf regionaler, nationaler und EU-Ebene.

 

2) Festsetzung eines Höchstsatzes von 25 % des Einkommens für die Wohnkosten bis 2030   

Die Wohnkosten (einschließlich Energie und Nebenkosten) sollten maximal 25 % des verfügbaren Einkommens der Haushalte betragen, was durch eine wirksame Mietpreisregulierung, einschließlich Mietsenkungen und Wohngeld, erreicht werden kann. Wohnraum ist Allgemeingut und kein finanzielles Gut. Wohnen ist für die Menschen da und nicht für den Profit!

 

4) Der Finanzialisierung entgegenwirken

Das Handeln zur Gewinnmaximierung und nach den Regeln des Kapitalmarktes hat sich auf allen Wohnungsmärkten ausgebreitet. Infolgedessen hat sich die Ausgestaltung der Wohnungspolitik von den Regierungen auf die gewinnorientierten Finanzakteure verlagert. Wir fordern eine De-Finanzialisierung des Wohnungssektors. Der Zugang von Finanzunternehmen zu den europäischen Märkten muss reguliert werden. Die EU sollte handeln, um Monopole zu verhindern und den Verkauf des öffentlichen und erschwinglichen Wohnungsbestands stoppen. Ein EU-Transparenzregister für Immobilientransaktionen ist der erste Schritt zur De-Finanzialisierung.

 

5) Regulierung der Kurzzeitvermietung

Kurzzeitvermietung entzieht bestehende Wohnungen dem regulären Wohnungsmarkt, was zu Lasten der Bewohner geht. Der Missbrauch durch internationale Kurzzeitvermietungsplattformen zur Gewinnmaximierung kann die Rechte der Mieter gefährden und Nachbarschaften zerstören, was zu Problemen wie Verdrängung, Touristifizierung und Gentrifizierung führt. Stadtplanung, Gesetzgebung und die jeweiligen nationalen Steuersysteme sollten diese Folgen berücksichtigen und den Rechten der Bewohner und ihrem Zugang zu bezahlbarem Wohnraum Vorrang einräumen.

 

6) Überarbeitung der EU-Regeln für staatliche Beihilfen: Wohnungspolitik als nationale Zuständigkeit

Die EU-Beihilfevorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) zwingen die Mitgliedstaaten, den Zugang zu sozialem und bezahlbarem Wohnraum auf sozial benachteiligte Gruppen zu beschränken. Es ist aber wichtig, dass breite Teile der Bevölkerung Zugang dazu erhalten. Um die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum zu erhöhen, muss der DAWI-Beschluss überarbeitet werden.

 

Der Wohnungssektor befindet sich im Schnittpunkt zahlreicher Politikbereiche, darunter Energie, Umwelt, Klima, Stadtentwicklung und soziale Gerechtigkeit. Während die Koordinierung und öffentliche Finanzierung dieser Politikbereiche von wesentlicher Bedeutung ist, sollen Wohnungspolitik und sozialer Wohnungsbau in nationaler Zuständigkeit bleiben, bei regionalen und lokalen Akteuren.

 

7) Keine Bevorzugung des Wohnungseigentums - Wohnen für alle

Ein eigentumsneutraler Ansatz betont die Bereitstellung geeigneter Wohnalternativen unabhängig von Einkommen, Alter oder Geschlecht. Anstatt sich ausschließlich auf Wohneigentum zu konzentrieren, sollte die Wohnungspolitik das Wohnen für alle in den Vordergrund stellen.

 

8) Achtung der Rechte der Mieter und Gewährleistung von Transparenz in Mietverträgen

Mieter haben Rechte, die geschützt werden müssen. Das Europäische Parlament sollte für transparente Verträge, eine verständliche Sprache und die Möglichkeit sorgen, missbräuchliche Klauseln anzufechten. Mieter sollten Zugang zu kostenloser mietrechtlicher Streitbeilegung haben. Alle Mieter haben das Recht, sich zu organisieren und verlangen eine faire Behandlung.

 

9) Förderung der Warmmietenneutralität von Renovierungen durch Energieeffizienz

Energieeffizienz im Wohnungsbau ist eine wesentliche Voraussetzung für die Senkung der Lebenshaltungskosten und die Bekämpfung des Klimawandels. Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, führend bei der weltweit notwendigen Umstellung auf saubere Energie zu sein, und dazu gehört auch energieeffizienter Wohnraum. Daher muss die EU eigene Mittel bereitstellen, um dieses Ziel zu erreichen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Last der Renovierungskosten gerecht verteilt wird und der einseitigen Belastung von Mietern entgegengewirkt wird.

 

Warmmietenneutralität nach der Renovierung (d. h., dass Mieterhöhungen mindestens durch Energieeinsparungen in gleicher Höhe ausgeglichen werden) und soziale Garantien für Mieter müssen Mindestanforderungen in aller Energiegesetzgebung sein.

 

10) Faire Energiewende:  Zugang zu energieeffizientem Wohnraum

Der gleichberechtigte Zugang zu energieeffizientem Wohnraum sollte vorrangiges Ziel jeder Energiepolitik sein, unabhängig vom Einkommen. Bei der Förderung der fairen Energiewende und von Energieeffizienzmaßnahmen muss die EU die unterschiedlichen Wohnverhältnisse und Energiesysteme in den Mitgliedstaaten berücksichtigen. Um diese Ziele zu unterstützen sollten EU-Mittel dort zur Verfügung stehen, wo sie benötigt werden, unter Beachtung der Subsidiarität.

 

Zusammenfassend spricht sich die Internationale Union der Mieter (IUT) für einen umfassenden Ansatz in der Wohnungspolitik in Europa aus, der den Schwerpunkt auf Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit von Wohnraum und Mieterrechte legt. Durch die Beseitigung der Wohnungskrise bis 2030, die Förderung von öffentlichem, sozialem und bezahlbarem Wohnraum und dem Schutz von Mietern kann das Europäische Parlament gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten und den zuständigen Behörden darauf hinwirken, erschwinglichen und sicheren Wohnraum für alle Bürger zu gewährleisten und damit den sozialen Zusammenhalt und das Wohlergehen auf dem gesamten Kontinent fördern.

 

Mietervereinigung Österreichs ist Gründungsmitglied

Die International Union of Tenants (IUT), gegründet 1926, ist das Sprachrohr für 69 Mieterorganisationen aus 45 Ländern und betreibt Büros in Brüssel und Stockholm. Die Mietervereinigung Österreichs ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der IUT und setzt sich weltweit für Mieterrechte und das Menschenrecht auf Wohnen ein.

 

Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, Tel.: 050195, Fax: 050195-92000, zentrale@mietervereinigung.at, ZVR - Zahl 563290909
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