Politik, Österreich 16.09.2024
Fair Wohnen hat sieben wahlwerbende Parteien gefragt, für welche Wohnpolitik sie stehen, in welcher Form sie die Interessen von Mietern künftig vertreten wollen und ob sie die von den Experten der Mietervereinigung erarbeiteten wohnpolitischen Forderungen unterstützen.
Am 29. September 2024 findet in Österreich mit der Nationalratswahl die nächste richtungsweisende Wahl statt. Steigende Mieten, hohe Heizund Stromkosten, aber auch teurere Kredite haben das Thema Wohnen in den letzten Jahren geprägt. Die Position der Mietervereinigung ist klar: Wohnen muss leistbarer werden. Wie sehen das die wahlwerbenden Parteien bei der Nationalratswahl 2024? Die Redaktion von Fair Wohnen hat an die sieben größten Parteien einen Fragebogen geschickt, um zu erfahren, wie die wohnungspolitischen Positionen der Parteien im Detail aussehen.
• Welche Parteien sprechen sich dafür aus, Wohnen endlich als Menschenrecht anzuerkennen?
• Soll es Verwaltungsstrafen für Vermieter geben, die sich nicht an die Gesetze halten?
• Sollen Mieten von der Inflation bzw. vom Verbraucherpreisindex abgekoppelt werden?
• Ist das Mietrecht in Österreich reformbedürftig?
Insgesamt waren 15 Fragen zu beantworten und vier der sieben Parteien haben diese Möglichkeit genutzt. SPÖ, Grüne, FPÖ und KPÖ haben den Fragebogen der Fair Wohnen-Redaktion zum Thema Wohnen beantwortet und ihre wohnungspolitischen Positionen dargelegt. Dabei fällt auf, dass in vielen Punkten Einigkeit herrscht und der von den wohnpolitischen Experten der Mietervereinigung erarbeitete Forderungskatalog auf große Zustimmung stößt. Keine Antwort von ÖVP, NEOS und Bierpartei Von ÖVP und NEOS gab es bis Redaktionsschluss keine Antwort. Die Bierpartei ließ uns wissen, dass »derzeit die Ressourcen fehlen alle Anfragen zu beantworten.« Für die Interessen von Mietern hat man bei der Bierpartei offenbar keine Zeit. Wohnpolitische Antworten bleibt die Truppe Ihnen, liebe Leser, also schuldig. Auch die ÖVP und die NEOS blieben alle Antworten schuldig. Das mag Ihnen, liebe Leser, vielleicht als Hinweis dienen, welche Rolle Ihren berechtigten Interessen als Mieter dort gegeben wird und was Sie diesbezüglich nach der Wahl von diesen Parteien zu erwarten haben.
Wohnen als Menschenrecht
SPÖ und KPÖ unterstützen die Verankerung des Rechts auf Wohnen als Grundrecht in der österreichischen Verfassung. Die Grünen stimmen dem zu und betonen die Notwendigkeit der Verankerung sozialer Rechte aufgrund steigender Wohnpreise. Die FPÖ hingegen lehnt dies ab und verweist auf bestehende Instrumente wie den Gemeindebau und den gemeinnützigen Wohnbau als ausreichend, um leistbares Wohnen zu gewährleisten.
Mieten von Inflation trennen
Vor allem die in Mietverträgen enthaltenen Wertsicherungsklauseln haben in den letzten Jahren aufgrund der hohen Inflationsrate in Österreich zu einem massiven Anstieg der Mieten geführt. Bei der Frage, ob die Mieten von der Inflation abgekoppelt werden sollen, sind sich die antwortenden Parteien einig: Die SPÖ befürwortet eine Abkoppelung und schlägt stattdessen eine Indexierung auf Basis des EZB-Leitzinssatzes mit einer Obergrenze von 2 Prozent pro Jahr vor. Die Grünen plädieren für eine Deckelung der Mietpreissteigerungen – man hätte bereits einen Mietpreisdeckel von 2,5 Prozent für zwei Jahre durchgesetzt. Die FPÖ sieht eine Koppelung an die Kreditzinsen im gemeinnützigen Wohnbau als mögliche Lösung, ist aber hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes skeptisch. Die KPÖ fordert die sofortige Aussetzung der Wertsicherungsklausel und eine Senkung der Mieten, sodass nicht mehr als ein Viertel des Monatsbudgets für Wohnen aufgewendet werden muss.
Zweckbindung der Fördergelder für Wohnbau
Alle antwortenden Parteien, SPÖ, Grüne, FPÖ und KPÖ befürworten die Wiedereinführung der Zweckbindung der Fördergelder für den Wohnbau. Die Grünen und die KPÖ betonen dabei auch die Notwendigkeit, Rückflüsse aus Wohnbaudarlehen und Wohnbauförderungsbeiträgen zweckgebunden für den Wohnbau einzusetzen. Die KPÖ schlägt zusätzlich vor, die Finanzierung durch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Mieten und eine angemessene Besteuerung von Widmungsgewinnen zu unterstützen.
Regulierung von Kurzzeitvermietungen
Auch beim Thema Kurzzeitvermietung herrscht Einigkeit: Alle antwortenden Parteien sprechen sich für eine Regulierung aus. Die SPÖ und KPÖ befürworten dies generell. Die FPÖ möchte Kurzzeitvermietungen untersagen, wenn keine touristische Widmung vorliegt.
Datenerhebung zu Leerstand und Vermietung
SPÖ, Grüne und KPÖ unterstützen die Erhebung und Veröffentlichung von Daten zu Leerstand sowie zur Vermietung von privatem Wohnraum. Die Grünen betonen die Bedeutung dieser Daten für die Wohnungspolitik und kritisieren die Zurückhaltung einiger Bundesländer bei der Leerstandserhebung. Die FPÖ äußert Bedenken bezüglich der Kosten-Nutzen-Relation einer solchen Erhebung und lehnt eine Leerstandsabgabe generell ab, sieht jedoch mögliche Lösungen in Einschränkungen für Ausländer am Immobilienmarkt.
Schaffung weiterer Schlichtungsstellen
KPÖ, SPÖ und Grüne befürworten die Einrichtung weiterer Schlichtungsstellen, um Mietern in ganz Österreich besseren Zugang zur kostenlosen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zu ermöglichen. Die FPÖ hält zusätzliche Schlichtungsstellen für unnötig und vertraut auf die bestehende Gerichtsbarkeit.
Wohnkostenneutralität bei Sanierungen
SPÖ, Grüne und KPÖ unterstützen die Idee einer Kostenneutralität bei der Verbesserung der Energieeffizienz von Wohngebäuden. Die KPÖ sieht dies als Mindestanforderung und weist darauf hin, dass Mieter nicht die Aufwertung von Vermietereigentum finanzieren sollten. Die Grünen betonen die Bedeutung von Energieeffizienz und sprechen sich für gesetzliche Höchstmieten aus, die je nach energetischem Zustand des Wohngebäudes variieren sollen. Die FPÖ hält den Ansatz für interessant, möchte die Details und Auswirkungen jedoch noch genauer prüfen.
Durchsetzung sämtlicher Rechte und Pflichten im Außerstreitverfahren
Die SPÖ befürwortet die Möglichkeit, Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem »Erstauftraggeberprinzip« für Wohnungsmakler durch ein Außerstreitverfahren zu klären, um das Kostenrisiko zu minimieren. Die Grünen loben die Abschaffung der Maklerprovision als großen Erfolg für Mieter und sehen keine Notwendigkeit für zusätzliche Regelungen. Die FPÖ lehnt ein Außerstreitverfahren ab, da sie die Thematik als ausreichend geklärt ansieht. Die KPÖ hat noch keine festgelegte Position und würde im Bedarfsfall Expertenmeinungen einholen.
Reform des Betriebskostenkatalogs
Bereits im Februar hat die Mietervereinigung mit einer Pressekonferenz auf das Thema Betriebskosten aufmerksam gemacht und eine Reform des gesetzlichen Betriebskostenkatalogs gefordert. Grundsteuer, Versicherungen und Verwaltungshonorar sollen aus dem Katalog gestrichen werden, um Mieter zu entlasten. Dabei handelt es sich um Kosten, die eigentlich Hauseigentümer leisten müssten. SPÖ und KPÖ befürworten diese Forderung. Die Grünen unterstützen eine Reform des Betriebskostenkatalogs, wobei sie eine klare Trennung zwischen Fixkosten und verbrauchsabhängigen Kosten vorschlagen. Die FPÖ zeigt sich offen für eine Diskussion, sieht jedoch die Notwendigkeit eines Ausgleichs für Vermieter.
CO2-Steuer
Bei der Frage, ob die CO2-Abgabe beim Heizen vom Vermieter bezahlt werden soll, gehen die Meinungen auseinander. Die SPÖ unterstützt diese Forderung, da der Mieter das Heizsystem nicht ändern kann. Auch die KPÖ spricht sich dafür aus, dass die CO2-Abgabe von den Vermietern übernommen wird, um zu verhindern, dass die Energiewende auf dem Rücken der Mieter ausgetragen wird. Die Grünen fordern Mietzinsreduktionen für Wohnungen mit fossilen Heizungen und Änderungen im Wohnrecht, um Sanierungen durch den Vermieter zu ermöglichen. Die FPÖ spricht sich für die Abschaffung der CO2-Abgabe aus.
Befristete Mietverträge
Schon seit Jahren fordert die MVÖ das Aus für befristete Mietverträge, denn diese bedeuten nicht nur Unsicherheiten für die Mieter, sondern befeuern auch die Preise. In diesem Punkt sind sich alle antwortenden Parteien einig. Nur in Ausnahmefällen soll es erlaubt sein, befristete Mietverträge abzuschließen.
Einheitliches Mietrecht und Preisgrenzen im »Neubau«
Die SPÖ spricht sich für ein bundesweit einheitliches Mietrecht aus, das alle Mietverhältnisse einschließlich Neubauten umfasst. Auch die KPÖ setzt sich für ein einheitliches Mietrecht und Mietobergrenzen bei Neubauten ein, um den Mieterschutz zu verbessern. Die Grünen schlagen vor, nach einer Abschreibungsdauer von 25 Jahren Mietzinsobergrenzen für alle Gebäude einzuführen, wobei sich der Mietzins nach der Qualität und dem energetischen Zustand des Gebäudes richten soll. Die FPÖ will das Mietrecht dahingehend ändern, dass nur Wohnungen, die älter als 36 Jahre sind, einer Mietzinsobergrenze unterliegen, sofern sie nicht saniert wurden.
Strafen für Vermieter
Auf die Frage, ob es Verwaltungsstrafen für Vermieter geben soll, die sich nicht an das Gesetz halten und wiederholt überhöhte Mieten verlangen, sprechen sich SPÖ, KPÖ und Grüne für eine solche Regelung aus. Die FPÖ hingegen sieht in Verwaltungsstrafen keinen Sinn, da sie das bestehende System der Rückforderung überhöhter Mieten für ausreichend hält.
Die Pläne der Parteien zum Wohnen
nsere letzte Frage war offen und lautete: »Welche Vorschläge haben Sie, um Wohnen in Österreich leistbarer zu machen?«
Die SPÖ fordert eine Mietpreisbremse bis Ende 2026, danach soll eine Indexierung der Mieten auf maximal 2 Prozent pro Jahr gedeckelt werden. Darüber hinaus plädiert die SPÖ für die Einführung eines einheitlichen Mietrechts, das unabhängig vom Baujahr des Gebäudes gilt. Dieses Universalmietrecht soll klare Regelungen für Zu- und Abschläge enthalten. Weiters wird die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung gefordert, um sicherzustellen, dass die Fördermittel auch tatsächlich für den Wohnbau verwendet werden. Auch die Wohnbauinvestitionsbank (WBIB) soll wieder eingeführt werden, um die Finanzierung des sozialen Wohnbaus zu sichern und die steigenden Kosten abzufedern.
Die Grünen setzen sich für eine Wohnkostengarantie ein, die sicherstellt, dass die monatlichen Wohnkosten nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens ausmachen. Erreicht werden soll dies durch einen Maßnahmenmix, der u.a. eine Mietpreisregulierung sowie die Mobilisierung leerstehender Immobilien umfasst. Darüber hinaus sollen besonders bedürftige Personen gezielt unterstützt werden.
Die FPÖ schlägt einen Mietenstopp bis 2026, danach eine Begrenzung der Mietindexierung auf 2 Prozent und die Ausweitung des Mietrechtsgesetzes auf thermisch-energetisch unterdurchschnittliche Gebäude vor. Damit sollen Sanierungsanreize geschaffen und bisher frei vermietbare Wohnungen in den regulierten Markt integriert werden. Weiters fordert die FPÖ ein Verbot von befristeten Mietverträgen für gewerbliche und institutionelle Vermieter sowie eine gesetzlich verpflichtende Verlängerungsoption für befristete Mietverträge. Zur Stärkung der Wohnbauförderung soll ein Bundeszuschuss eingeführt werden, der die Realisierung geförderter Neubauten ermöglicht. Außerdem fordert die FPÖ die Wiederbelebung der Wohnbauinvestitionsbank (WBIB), um langfristig günstige Kredite für den leistbaren Wohnbau sicherzustellen.
Die KPÖ fordert einen Mietenstopp bis 2029, mehr öffentlichen Wohnbau und die Errichtung einer Wohnbaubank. Außerdem plädiert die Partei dafür, das Recht auf Wohnen einklagbar zu machen, um den Zugang zu leistbarem Wohnraum für alle zu gewährleisten.