Wie das gesetzliche Instrument der Möbelmiete zum Nachteil für Mieterinnen und Mieter ausgestaltet wurde.
Die Grundlage für eine sogenannte Möbelmiete findet sich im Mietrechtsgesetz, Paragraf 25: »Stellt der Vermieter dem Hauptmieter eines Mietgegenstandes Einrichtungsgegenstände bei [...], so darf hiefür nur ein angemessenes Entgelt vereinbart werden.«
Ein angemessenes Entgelt. So steht es im Gesetz. Mehr ist da nicht. Aber was dem einen noch zu wenig ist, das kann der anderen schon zu viel sein. Wie bemisst sich also das angemessene Entgelt – und wer bestimmt warum, was angemessen ist?
Probieren Sie es gerne selbst aus: mit dem Suchbegriff »Berechnung Möbelmiete« erhalten Sie von der Suchmaschine Ihrer Wahl zig Treffer mit ganz konkreten Berechnungsbeispielen – Treffer eins bei der Google- Suche kommt erfreulicherweise von der Mietervereinigung Österreichs. Diese Berechnungsbeispiele basieren auf der Auslegung des Gesetzes durch die Judikatur. Was hat die Rechtsprechung im Lauf der Zeit aus dem im Gesetz genannten angemessenen Entgelt gemacht – und ist das überhaupt noch gerecht? Fair Wohnen hat sich auf Spurensuche begeben. Start für unsere Recherche ist der aktuelle Stand der Judikatur zur Möbelmiete. Gesichert ist, dass sich die Höhe der Möbelmiete nach Zeitwert und Restnutzungsdauer bemisst. Dazu kommt ein Gewinnzuschlag für den Vermieter bzw, die Vermieterin plus 20 Prozent Umsatzsteuer.
Rechenbeispiel
Konkretes Beispiel: der Zeitwert (zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) einer Einbauküche liegt bei 10.000 Euro. Bei einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren (240 Monaten) ergibt sich ein monatlicher Betrag von 41,67 Euro. Der Gewinnzuschlag (üblicherweise 12 Prozent) beträgt 5 Euro. Das monatliche Entgelt beträgt in Summe also 46,67 netto. Gesamtbetrag inklusive 20% Umsatzsteuer: 56 Euro.
Das »Erscheinen« des Gewinnzuschlags
Die Sache mit der Restnutzungsdauer ist auf den ersten Blick verständlich. Der Zeitwert dividiert durch die Nutzungsmonate ergibt die monatliche Möbelmiete. Das ließe sich unter »angemessenem Entgelt« verstehen. Aber halt! Wo kommt der Gewinnzuschlag für Vermieterinnen bzw. Vermieter her und warum beträgt dieser ausgerechnet 12 Prozent? Ist ein solcher Gewinn denn »angemessen«? Ist das rechtens?
Die Rechtsprechung sagt: Ja. Gerne werden in diesem Zusammenhang Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (OGH) zitiert. Aus dem Jahr 1991 stammt diese (6 Ob 536/91): »In Lehr (sic!) und Rechtsprechung besteht Einhelligkeit, daß (sic!) dem Vermieter auch ein angemessener Gewinn (Verzinsung seines eingesetzten Kapitales) für die erbrachten Sachleistungen zusteht.« Weiters »erscheint eine Verzinsung von 12 % p.a. (§ 273 ZPO) durchaus realistisch.« Den Höchstrichtern ist also eine Verzinsung von 12 Prozent realistisch »erschienen«. Nicht zum ersten Mal freilich.
Die erste »Erscheinung« des Gewinnzuschlags von 12 Prozent beim OGH, die Fair Wohnen recherchieren konnte, stammt aus dem Jahr 1987.
Gewinnzuschlag nicht für alle
Es ist bemerkenswert, dass Lehre und Rechtsprechung in »Einhelligkeit « dem Vermieter bzw. der Vermieterin 12 Prozent Gewinn zugestehen – freilich im Verhältnis Vermieterin zu Mieter und auf der anderen Seite im Verhältnis Mieterin zu Mieter die Ablöse (in § 27 Mietrechtsgesetz geregelt) ganz ohne Gewinn abgehandelt werden muss. Bei der Ablöse ist allein der Wert der Gegenstände und der Investitionen im Zeitpunkt der Ablösevereinbarung maßgebend.
Keine Rede von einem Gewinnzuschlag für die Vormieterin. Bemerkenswert. Nur der reine Zeitwert der Gegenstände ist maßgebend für die Ablöse. Die Bestimmung gründet irgendwo im Mieterschutzgedanken: Mieterinnen und Mieter dürfen sich untereinander nicht ausnehmen. So soll es sein. Ausnehmen darf eine Mieterin bzw. einen Mieter schließlich nur Vermieterin und Vermieter.
Möbelmiete gilt für immer
Ein weiteres Mysterium neben dem Gewinnzuschlag ist, dass die Möbelmiete nicht nur während der Restnutzungsdauer, sondern während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses vorgeschrieben werden kann. Das Inventar hat also seine Restnutzungsdauer bereits überschritten und damit höchstens noch einen minimalen Restwert, trotzdem kann ewig die volle Möbelmiete verlangt werden? Ist das rechtens?
Die Rechtsprechung sagt: Ja. »Der [..] errechnete Betrag kann monatlich während der gesamten Vertragsdauer und nicht nur während des Zeitraums der Restnutzungsdauer verlangt werden«, entschied der OGH. Es ist der Rechtsprechung zufolge also »angemessen«, dass ein Mieter bzw. eine Mieterin die in unserem Beispiel genannte Küche inklusive Gewinnzuschlag nicht nur 20 Jahre, sondern 40 Jahre lang bezahlt und damit eigentlich schon längst eine zweite Küche finanziert. Man darf sich fragen, warum zur Berechnung der »Angemessenheit « zuvor überhaupt die Restnutzungsdauer ermittelt wird, wenn diese in der Praxis egal ist.
Keine Erhaltungspflicht
Mieterinnen und Mieter zahlen oft über Jahre hinweg Möbelmiete für Küchen und Geräte, manchmal sogar »wertgesichert «. Sie erwarten deshalb zu Recht, dass defekte Geräte vom Vermieter ausgetauscht werden. Schließlich bezahlen sie dafür. Ist das so?
Die Rechtsprechung sagt: Nein. Laut OGH haben Vermieterinnen und Vermieter keine Erhaltungspflicht für vermietete Möbel. Stattdessen könnten Mieterin oder Mieter ja bei defekten Geräten den Möbelmietzins mindern (5 Ob 79/19g).
Es gibt sehr viel Reformbedarf im Mietrecht, und die heutige rechtliche Gestalt der Möbelmiete ist eines der – um beim Bild der »Erscheinung« zu bleiben – leuchtendsten Beispiele dafür.