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Wien 04.03.2018

Wasserleitung eingefroren – ein Protokoll aus Wien

  • Installateur mit Gasbrenner; Foto: MVÖ

Die mutigste Katze der Welt und ein Mitarbeiter der Mietervereinigung Österreichs erlebten hautnah, wie eine Kältewelle auf einen Gründerzeit-Altbau wirken kann. Ein Protokoll aus dem in der letzten Woche tiefgefrorenen Wien.

 

Schauplatz: ein klassischer Altbau aus der Gründerzeit in Wien-Penzing, der seit den späten 1990er-Jahren mehrmals den Eigentümer wechselte. Hochparterre, drei Stockwerke, ausgebautes Dachgeschoss.

 

In der Nacht auf den 1. März 2018 befindet sich die vom Boulevard als „Sibirien-Peitsche“ bezeichnete Kältewelle auf ihrem Tiefpunkt, die Temperatur sinkt bis auf -12 Grad.

 

Donnerstag, 6.40 Uhr, 2. Stock, Top 9: Es ist eine Frage von Sekundenbruchteilen, wer zuerst beim Wecker ist. Die Freude, dass ich diesmal schneller war als die mutigste  Katze der Welt, währt nur bis zum Badezimmer. Aus dem Wasserhahn quält sich ein müder Strahl, der rasch versiegt; noch ein paar letzte Tropfen, dann ist Schluss.

 

7.00 Uhr: Zweite Wohnung betroffen. Ich läute bei der Wohnung Top 13, dritter Stock. Der Enkel der Hauptmieterin öffnet. Auch sie hätten kein Wasser, sagt er. Der Verdacht, dass es sich um eine eingefrorene Leitung handelt, erhärtet sich. Ich teile dem jungen Mann mit, dass ich die Hausverwaltung informieren werde.

 

7.05 Uhr: Was tun? Es trifft sich, dass ich vor wenigen Tagen auf der Homepage der Mietervereinigung (mietervereinigung.at) gelesen hatte, dass es sich bei Schäden an der Wasserversorgung um einen sogenannten „ernsten Mangel“ handelt, der unverzüglich schriftlich dem Vermieter bzw. der Hausverwaltung zu melden ist. Per E-Mail geht die Meldung über die zusammengebrochene Wasserversorgung von Top 9 und 13 an die Hausverwaltung.

 

7.35 Uhr: Ich versuche, die Hausverwaltung auch telefonisch zu erreichen. Dort läuft nur ein Tonband. Erreichbar wäre man ab 9 Uhr.

 

9.15 Uhr: Nächster Versuch. Mittlerweile an meinem Arbeitsplatz, zweiter Anruf bei der Hausverwaltung. Die Leitung ist besetzt. Kurz darauf ruft mich die Assistentin einer Installationsfirma an. „Wann könnten Sie in der Wohnung sein, damit ein Mitarbeiter den Schaden untersuchen kann?“ Innerhalb einer halben Stunde, meine ich. Gegen 13.00 Uhr könnte es so weit sein, sagt sie.

 

Tatsächlich stehen schon um 12.30 Uhr vier Installateure in meiner Wohnung und versuchen, die Vereisung zu lokalisieren. Die Katze zeigt sich von den Männern mit klobig-festem Schuhwerk schwer beeindruckt und flüchtet in den hintersten Winkel unter einen Vorhang.

 

13:00 Uhr: Die Installateure glauben, dass die Leitung im Keller vereist ist. In der Folge zeigt sich, dass das Aufspüren einer bestimmten Wasserleitung im Altbau nicht so leicht ist.

 

14:30 Uhr: Vom Innenhof aus ist zu erkennen, dass ein Fenster eines ehemaligen Gang-WCs im Hochparterre einen Spalt weit offen steht. Dieser Abstellraum, durch den die Wasserleitung vertikal nach oben steigt, gehört zu einem Vereinslokal. Vom Verein ist niemand erreichbar, heftiges Klopfen und mehrere Anrufe bleiben unbeantwortet. Nach Rücksprache mit seiner Zentrale beschließt der Installateur, die Tür aufzubrechen.

 

15:00 Uhr: Kanister. Von Erfahrungen der Nachkriegszeit gestählt, gibt die Mieterin von Top 13 ein bislang gut gehütetes Geheimnis preis: „Ich lege mir immer ein paar Kanister Wasser als Vorrat an.“

 

15:10 Uhr: Aufgebrochen. Der Installateur hat endlich Zugang zum Abstellraum. Zentimeter um Zentimeter stemmt er sich der Wasserleitung entlang und versucht diese mit einem Gasbrenner zu erhitzen, um die Vereisung aufzutauen. Immer wieder laufe ich in den zweiten Stock, um zu kontrollieren ob bereits Wasser aus den geöffneten Hähnen kommt. Nichts.

 

15:35 Uhr: Eis lokalisiert. „Es ist nicht besonders schlau, bei -12 Grad das Fenster offen zu lassen“, meint der Installateur. Schon ab einer Temperatur von -3 Grad werde es für freiliegende und nicht isolierte Wasserrohre gefährlich, führt er aus. So könnte sich über Nacht, wenn niemand Wasser entnimmt und daher auch keine Zirkulation stattfindet, Eis in der Leitung bilden.

 

16:17 Uhr: Kurz zurück in der Wohnung. Die Katze hat sich hinter dem Vorhang praktisch unsichtbar gemacht. Plötzlich beginnt es in der Wasserleitung zu grummeln, schließlich kommt nach und nach Wasser. Auch in Top 13 fließt es wieder. Erleichterung.

 

16:30 Uhr: Der Strahl versiegt zuerst im Badezimmer, anschließend macht auch die Armatur in der Küche schlapp. Was ist passiert? Kaum war die Vereisung im Hochparterre beseitigt, ist das Rohr im Keller wieder zugefroren. Der Installateur macht sich also im Keller mit seinem Gasbrenner wieder ans Werk.

 

16:45 Uhr: Das Wasser fließt wieder. Beide Installateure kommen in meine Wohnung, und zu dritt beäugen wir misstrauisch den Strahl aus dem Badezimmerhahn. „Lassen Sie das Wasser über Nacht laufen“, erklärt der Installateur. „Wir haben zwar den Keller isoliert, im Hochparterre müssen wir allerdings noch weiter stemmen, um die Leitung komplett isolieren zu können. Wenn das Wasser über Nacht nicht in Bewegung bleibt, dann friert die Leitung garantiert wieder zu.“ Auch die kommende Nacht wird extrem kalt. Es ist mit Temperaturen von -10 Grad zu rechnen.

 

17:05 Uhr: Die Katze wagt sich aus ihrem Versteck – natürlich erst, nachdem sie sich vergewissert hat, dass die beiden Männer mit den riesigen Schuhen die Wohnung auch wirklich verlassen haben. Ihr erster Weg führt sie ins Badezimmer, wo – interessant, weil ungewöhnlich – permanent der Wasserhahn rinnt. Sie springt ins Waschbecken, rutscht mit den Pfoten auf dem nassen Untergrund weg und landet mitten unter dem Wasserstrahl. Macht nichts, sie schüttelt sich nur kurz ab: schließlich ist sie die mutigste Katze der Welt.

 

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